rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Aussetzung eines auf § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. § 138 Abs. 3 BewG beruhenden GrESt-Bescheids trotz ernstlicher Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit wegen fehlenden besonderen Aussetzungsinteresses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die für eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG durch § 8 Abs. 2 GrEStG angeordnete Heranziehung der gesondert festgestellten Grundstückswerte nach § 138 Abs. 3 BewG als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken.

2. Die Vollziehung des wegen der Verfassungswidrigkeit des § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. § 138 Abs. 3 BewG in der für 2002 geltenden Fassung angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids ist trotz bestehender ernstlicher Zweifel i. S. d. § 69 Abs. 2 S. 2 FGO nicht auszusetzen, da das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Eine Gefährdung des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung ist hier nicht aufgrund einer Vielzahl von einschlägigen Fällen zu besorgen, sondern aufgrund der im jeweiligen Einzelfall hohen Steuerbeträge (entgegen FG Münster v. 4.8.2010, 3 V 936/10 F, EFG 2010, 1917).

 

Normenkette

GrEStG 1997 § 8 Abs. 2, § 1 Abs. 3; BewG 1991 § 138 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1

 

Tenor

Der Antrag wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Das Verfahren betrifft einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Grunderwerbsteuerbescheids.

Wie dem Senat aus einem anderen Verfahren bekannt ist, ist die Antragstellerin eine in L ansässige Kapitalgesellschaft, die als Holdinggesellschaft etwa 400 Immobilien im gesamten Bundesgebiet mittelbar über einen rund 200 Kapital- und Personengesellschaften umfassenden Unternehmensverbund gehalten hat.

Durch Vertrag vom 2. Dezember 2008 wurden mindestens 95 % der Anteile an der Antragstellerin in der Hand eines Gesellschafters vereinigt. Deswegen erließ das Finanzamt X am 3. März 2010 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer, der unter anderem die Grundstücke A und B in N betraf. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO). Der Antragsgegner erhielt hierüber eine entsprechende Mitteilung. Daraufhin erließ der Antragsgegner am 17. Juni 2010 einen Grunderwebsteuerbescheid über 913.850 EUR, den er auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG stützte und in dem er als Bemessungsgrundlage als „Schätzwert: [die] Verkehrswerte lt. ges.[onderter] Festst.[ellung]” ansetzte, „bis der Wert nach § 138 BewG” vorliege.

Hiergegen legte die Antragstellerin am 14. Juli 2010 Einspruch ein, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Gleichzeitig beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung. Am 10. August 2010 erließ der Antragsgegner einen geänderten Grunderwerbsteuerbescheid über nunmehr 623.000 EUR erließ. Die Bemessungsgrundlage schätzte er in Höhe des Einheitswerts von 9.966.00 DM. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit seiner Verfügung unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 24. August 2010 2 V 1347/10 ab.

Am 30. September 2010 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht gestellt, mit dem sie die Aussetzung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides begehrt.

Zur Begründung des Antrags trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, der Grunderwerbsteuerbescheid sei rechtswidrig, weil verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 8 Abs. 2 GrEStG, der für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage maßgeblich sei, bestünden. Diese würden vom Bundesfinanzhof geteilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG zur Erfüllung der Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG strukturell ungeeignet. Denn dieses Verfahren führe im Einzelfall zu erheblichen Wertdifferenzen. Die Streubreite der Bewertungsergebnisse verleihe der Bewertung etwas Zufälliges und Willkürliches an, ohne dass dies als Folge einer zulässigen Typisierung verfassungsrechtlich hinnehmbar sei. Diese Grundsätze gälten nicht nur für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, sondern auch für die Grunderwerbsteuer. Die Antragstellerin beruft sich auf ein besonderes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung. Ohne Aussetzung der Vollziehung drohten ihr irreparable Schäden, da eine Vielzahl weiterer Grundstücke in Deutschland betroffen sei. Diesem Aussetzungsinteresse stehe kein gleichwertiges Interesse an einer geordneten Haushaltsführung entgegen. Denn die im Streitfall maßgebliche Regelung des § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG beträfen nicht sämtliche Grunderwebsteuerfälle, sondern lediglich bestimmte Fallgestaltungen, so dass die Grunderwerbsteuerfestsetzungen in ihrer Gesamtheit im Fall der Vollziehungsaussetzung nicht wesentlich beeinträchtigt würden. Das Aussetzungsinteress...

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