rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsaufwendungen gegenüber volljährigen Kindern bei Haushaltsgemeinschaft. Berechnung der Opfergrenze. Monatsprinzip
Leitsatz (redaktionell)
1. Beim Abzug von Unterhaltsaufwendungen für mit dem Steuerpflichtigen in einem gemeinsamen Haushalt lebende Kinder, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, kommt die Opfergrenze nur dann nicht zur Anwendung, wenn die Beteiligten eine sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft bilden.
2. Die Opfergrenze ist hinsichtlich der Berücksichtigung weiterer unterhaltsberechtigter Kinder nach dem kindergeldrechtlichen Monatsprinzip zu berechnen.
3. In der einkommensabhängigen Berechnung der Opfergrenze liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz oder das Gebot zum Schutz von Ehe und Familie.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 66 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid für 2011 über Einkommensteuer vom 27. Februar 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2013 wird dahingehend geändert, dass weitere Unterhaltsaufwendungen in Höhe von 909 EUR vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 78 % und der Beklagte zu 22%.
Der Gerichtsbescheid ist, soweit er als Urteil wirkt, hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist verheiratet und wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer verlangt. Im Streitjahr bezog er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 38.002 EUR und erwirtschafte einen Verlust aus Gewerbebetrieb (Betrieb einer Photovoltaikanlage) in Höhe von 144 EUR. Seine Ehefrau hatte keine Einkünfte. Im Haushalt des Klägers leben seine drei Söhne. Lars (* 14. Juli 1985) war Student und erhielt Ausbildungszuschüsse nach dem BAföG in Höhe von monatlich 218 EUR bzw. 277 EUR (ESt, Bl. 23 f.). Sven (* 14. Juli 1985) war Schüler. Er ist behindert. Der Grad der Behinderung beträgt 70% (ESt, Bl. 8 und 19 f). Im Streitjahr erzielte er Bruttoeinkünfte in Höhe von insgesamt 1.347,24 EUR aus nichtselbständiger Arbeit (ESt, Bl. 22). Jens (* 21. September 1987) erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 8.335,02 EUR brutto (ESt, Bl. 30) und bezog für ca. 2 Monate Arbeitslosengeld (ESt, Bl. 33). Ab Oktober 2011 war er an der Hochschule für Technik und Wissenschaft immatrikuliert (ESt, Bl. 28), und der Kläger erhielt Kindergeld für ihn.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 machte der Kläger Unterhaltsleistungen in Höhe von 16.008 EUR für Lars und Sven als außergewöhnliche Belastung nach § 33a EStG geltend (ESt, Bl. 37 f und Bl. 21). Im Bescheid über Einkommensteuer vom 27. Februar 2013 ließ der Beklagte nach Anwendung der Opfergrenze nur 9.216 EUR zum Abzug zu (ESt, Bl. 43 f.). Hiergegen legte der Kläger am 2. April 2013 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2013 als unbegründet zurückwies (ESt, Bl. 11 ff.).
Am 12. Juli 2013 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt sinngemäß (Bl. 46),
unter Änderung des Bescheides über Einkommensteuer für 2011 vom 27. Februar 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2013 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von weiteren Unterhaltsaufwendungen in Höhe von 5.566 EUR (14.782 EUR – 9.216 EUR) als außergewöhnliche Belastung nach § 33a EStG neu festzusetzen.
Er ist der Ansicht, Unterhaltsaufwendungen seien in Höhe von insgesamt 14.782 EUR (im Einzelnen, Bl. 47) und ohne Anwendung der Opfergrenze zu berücksichtigen. Nach der BFH-Rechtsprechung (BFH vom 29. Mai 2008 III R 27/07, BStBl II 2009, 363) und dem BMF-Schreiben vom 7. Juni 2010 (BStBl I 2010, 582) sei die Opfergrenze bei Unterhaltsleistungen an Personen, mit denen eine Haushaltsgemeinschaft (sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft) bestehe, nicht mehr anwendbar (Bl. 47).
Des Weiteren würden die Regelungen zur Berechnung der Opfergrenze gegen Art. 3 GG verstoßen, da sie einkommensschwächere Personen benachteilige (Bl. 48). Außerdem sei der Gesetzgeber nach Art. 6 GG verpflichtet, Sorge dafür zu tragen, dass das Existenzminimum der Familie steuerfrei belassen werde, insbesondere deshalb, weil die Beschränkung des Familienleistungsausgleichs nach § 63 i.V.m. § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG auf Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, mehr oder weniger willkürlich sei (Bl. 48).
Der Beklagte beantragt (Bl. 56),
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig. Ausweislich des Übermittlungsschreibens des Gerichts vom 3. September 2013 sei die Klagebegründung erst nach Ablauf der Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens (§ 65 Abs. 2 FGO) eingegangen (Bl. 56...