rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzahlung von als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften geltend gemachten Schuldzinsen als zur Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtigende „neue Tatsache” bei Pflichtverletzungen sowohl des FA als auch des Steuerpflichtigen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein bestandskräftiger Bescheid darf aufgrund einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden, wenn zwar das FA seine Amtsermittlungspflicht, im Gegenzug aber auch der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten in erheblicher Weise verletzt hat.
2. Von einer derartigen, eine Anwendung von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ermöglichenden beiderseitigen Pflichtverletzung ist auszugehen, wenn in der von einem Steuerberater erstellten Feststellungserklärung für eine GbR Schuldzinsen unter Bezug auf ein bereits im Vorjahr aufgelöstes Konto der GbR als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht, die Zinsen tatsächlich jedoch nicht von der GbR an die Bank gezahlt, sondern lediglich einem internen Forderungskonto der Bank gutgeschrieben worden sind, und wenn der Veranlagungsbeamte des FA trotz der erheblichen Höhe der geltend gemachten Schuldzinsen von über 87.000 Euro keinen Bankbeleg über die Zinszahlung angefordert, sondern einfach bei Veranlagung die ihm plausibel erscheinenden Erklärungsdaten ohne nähere Nachprüfung übernommen hat.
3. Eine Änderung des Steuerbescheids wäre jedoch nicht möglich, wenn der Verstoß des FA gegen seine Ermittlungspflicht den Verstoß des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 90; EStG § 11 Abs. 2 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob der Beklagte den erklärungsgemäßen Feststellungsbescheid 2002 über die Einkünfte einer GbR aus Vermietung und Verpachtung nach § 173 AO ändern durfte.
Die Kläger sind Gesellschafter einer ehemaligen Grundstücks-GbR (GbR). An der GbR waren die Kläger … sowie X … beteiligt. Aus dem an die X – GmbH (GmbH) vermieteten Anwesen erzielte die GbR erhebliche Einnahmen …. Den Einnahmen standen stets hohe Zinsaufwendungen gegenüber …. Über das Vermögen der GmbH ist 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die GbR wurde 2007 aufgelöst.
….
Im Streitjahr 2002 beliefen sich die Einnahmen der Feststellungserklärung zufolge auf 125.884 EUR und die Darlehenszinsen – aus Konto 529-038531 – auf 87.604,03 EUR. Bei der Veranlagung wurden diese Zinsen ohne nähere Prüfung anerkannt und am 13. Juli 2004 ein entsprechender Feststellungsbescheid für 2002 ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlassen. Der Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen wurde erklärungsgemäß mit 19.363 EUR festgestellt.
Für 2003 beliefen sich die Einnahmen der Feststellungserklärung zufolge auf 14.880 EUR und die Darlehenszinsen – aus Konto 529-038531 – auf 62.496,19 EUR. Der Überschussrechnung war eine Forderungsberechnung für das Konto 594-006298 vom 1. Januar 2002 bis zum 19. Januar 2005 beigefügt, aus dem sich die Entstehung der geltend gemachten Zinsen ableiten ließ.
Bei der Bearbeitung des Feststellungsbescheides 2003 fiel dem Beklagten u.a. auf, dass die für 2002 und 2003 geltend gemachten Zinsen nicht gezahlt, sondern lediglich auf einem internen Konto der Bank „für Forderungsberechnung” gebucht wurden. Für 2003 erließ er am 6. Juni 2005 einen entsprechenden Feststellungsbescheid mit einer umfangreichen Erläuterung. Gleichzeitig erließ er für 2002 am 6. Juni 2005 einen nach § 173 AO geänderten Feststellungsbescheid, der die Einkünfte der GbR aus Vermietung und Verpachtung ohne die geltend gemachten Zinsen feststellte. Dagegen legten die Kläger am 7. Juli 2005 Einspruch ein, den der Beklagte mit Entscheidung vom 15. Dezember 2009 als unbegründet zurückwies.
Am 13. Januar 2010 haben die Kläger Klage erhoben. Sie beantragen,
den Änderungsbescheid vom 6. Juni 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2009 ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte habe bei der Durchführung der Veranlagung 2002 erkennen müssen, dass die Zinsen nicht gezahlt worden seien. Die Kläger hätten der Erklärung für 2002 die Einkunftsberechnung beigefügt, wonach Darlehenszinsen aus dem Konto mit der Nummer 529-038531 bei der Bank über 87.604,03 EUR geltend gemacht worden seien. Der Erklärung sei weiterhin ein Schreiben der Bank vom 18. Juli 2003 über das Darlehensforderungskonto 529-038531 beigefügt gewesen, wonach dieses Darlehen von der Bank bereits mit Schreiben vom 8. November 2001 fristlos gekündigt und der Sollsaldo auf ein internes Forderungsberechnungskonto Nr. 594-006298/0 der Bank übernommen worden sei. Die Forderungsberechnung der Bank bezüglich des Kontos Nr. 594-006298/0 zum 31. Dezember 2002 sei der Erklärung gleichfalls...