Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichrangige gesamtschuldnerische Lohnsteuerhaftung einer Arbeitgeber-GmbH und ihrer Geschäftsführer. Auswahl der haftenden Geschäftsführer nach der Schwere des Schuldvorwurfes. Lohn- und Kirchensteuerhaftung
Leitsatz (amtlich)
1. Unterlässt eine GmbH in einer Vielzahl von Fällen den Lohnsteuerabzug, so haften die GmbH nach § 42d EStG und ihre Geschäftsführer nach §§ 69 ff. AO grundsätzlich als gleichrangige Gesamtschuldner für die nicht einbehaltene Lohnsteuer.
2. Es ist jedoch nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Finanzamt von den haftenden Geschäftsführern nur denjenigen mit dem schwereren Schuldvorwurf an der Lohnsteuerverkürzung in Anspruch nimmt. Ist einem der Geschäftsführer allerdings eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen, so ist dieser Geschäftsführer stets mit in Haftung zu nehmen, auch wenn er die Lohnsteuerverkürzung zum Vorteil der GmbH begangen hat.
3. Wird allein der die Lohnsteuer verkürzende Geschäftsführer in Anspruch genommen, so kann er die Aufhebung seiner Inhaftungnahme nicht deswegen verlangen, weil die Arbeitgeber-GmbH ebenfalls hätte in Haftung genommen werden müssen bzw. ihre Inhaftungnahme nicht ohne besondere Begründung hätte unterbleiben dürfen. Denn selbst im Falle einer Inhaftungnahme der GmbH würde sich an der stets gebotenen (Mit-)Haftung ihres die Lohnsteuer hinterziehenden Geschäftsführers nichts ändern.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1 S. 1, §§ 69, § 71 ff., § 44; EStG § 42d
Beteiligte
Finanzamt Saarlouis, vertreten durch den Vorsteher |
Tenor
Unter Abänderung des Haftungsbescheides vom 23. März 1995 in Form der Einspruchsentscheidung vom 26. März 1996 wird die Haftungssumme auf 125.257,92 DM herabgesetzt.
Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger zu 4/5 und dem Beklagten zu 1/5 auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger vom Beklagten als vormaliger Geschäftsführer der ehemaligen A D GmbH für nicht abgeführte und angemeldete Lohnsteuer der Gesellschaft gemäß §§ 191, 71, 69, 34 Abgabenordnung – AO – ermessensgerecht in Haftung genommen wird.
Der Kläger war Inhaber der Einzelfirma A D, die sich mit Abfallentsorgung befasste und vom Kläger Ende 1987 in eine GmbH umgewandelt wurde (Bl. 10, 153). Nach dieser Umwandlung wurden die Anteile der A D GmbH von der F GmbH (später: X GmbH) und deren Anteile zu 70 v.H. von der BUS-GmbH, O – BUS –, einer 100 %-igen Tochtergesellschaft der Y-AG, gehalten. Die BUS veräußerte ihre gesamten X-Anteile am 6. September 1990 an die R GmbH, V, (Bl. 10 FG; 5 Rb; 6, 31 StrafA; Ordner – O – 171/93 „Steuerl. Verhältnisse”). Anschließend verpflichtete sich der Kläger in § 3 einer Vereinbarung vom 13. Dezember 1990 gegenüber der BUS (Bl. 172-174 FG), u.a. auch die A D GmbH von jeglichen Steuernachforderungen freizustellen, soweit es sich nicht um solche handelt, die bei auch korrekter Vorgehensweise des Klägers im Zuge einer ordnungsgemäßen Geschäftsabwicklung entstanden wären (Sowieso-Steuern).
Anfang 1993 wurde die A D GmbH mit der PM GmbH, Z, verschmolzen, die bereits seit 1992 als R-S-GmbH firmierte (Bl. 10 FG; 48 Rb; 24 StrafA).
Jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der A D GmbH waren im gesamten Haftungszeitraum (1. Januar 1988 bis 31. März 1989) Herr Dr. W. K. und der Kläger. Als weitere Geschäftsführer kamen ab dem 1. Januar bzw. 1. März 1989 die Herren L. und P. hinzu (Bl. 10).
Nachdem der Kläger Ende März 1989 aus der A D GmbH ausgeschieden war, teilte die Angestellte Q. (Bl. 82) dem Geschäftsführer Dr. K. lohnsteuerliche Unregelmäßigkeiten bei der GmbH mit (O 171/93, Unterordner – UO – 4 a.E.), worauf sich dieser und der Mitgeschäftsführer L. am 19./21. Juni 1989 zu einer Selbstanzeige für die A D GmbH entschlossen (Bl. 20-22 LSt III). Das führte zu Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der GmbH sowie zu Steuerprüfungen des Finanzamtes A. und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes N. bei der Gesellschaft (Bl. 28 ff. StrafA; 4 ff. Rb).
Die Ermittlungen hatten eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers wegen Untreue zur Folge (Bl. 11, 91; 3 Rb; O 20/93 vor „persönliche Verhältnisse”). Von einem Strafverfahren gegen den Kläger wegen (u.a.) Lohnsteuerhinterziehung wurde nach Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 100.000 DM gemäß § 153a der Strafprozessordnung abgesehen (StrafA a.E.).
Im Rahmen der Ermittlungen gegen die A D GmbH kam es am 11. Mai 1993 zu einer als „Tatsächliche Verständigung” bezeichneten Absprache zwischen der R-S-GmbH, dem Beklagten und den Finanzämtern N. und O. (Bl. 5 ff. StrafA; 6 Rb). Darin ist u.a. festgehalten, dass es aufgrund nicht angemeldeter Lohnzahlungen in der Zeit von Januar 1988 bis September 1989 zu Lohn- und Kirchensteuerverkürzungen in Höhe von insgesamt 172.947 DM gekommen sei, für die Gesamtschuldner eine Vielzahl von Arbeitnehmern (Steuerschuldner), die Fa. A D GmbH (Haftende) und der Geschäftsführer F. (Haftender) seien, dass aber tatsächlich lediglich der Kläger in Anspruch genommen werden so...