Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz der anteiligen Tilgung; Vertreterhaftung für rückständige Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbeträge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Grundsatz der anteiligen Tilgung gilt regelmäßig auch für die Hinterzieherhaftung nach § 71 AO. Für die Vertreterhaftung nach § 69 Satz 1 AO i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG kann er jedenfalls dann zur Anwendung kommen, wenn der Vertreter die unberechtigte Rechnungsausstellung nicht in Kenntnis fehlender Mittel vorgenommen oder die dadurch bedingte Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig zu beseitigen versucht hat.

2. Einer Vertreterhaftung gemäß § 69 Satz 1 AO in Höhe der vorangemeldeten, aber nicht erfüllten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbeträge steht nicht entgegen, dass eine danach eingereichte Umsatzsteuer-Jahreserklärung mit einer darin ausgewiesenen niedrigeren Jahresumsatzsteuerschuld mit Ablauf der Festsetzungsfrist für Jahresumsatzsteuer Bestandskraft erlangt, weil die Akzessorietät der Haftung von der Steuerschuld nach § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ausnahme der Erlöschensgründe des § 47 AO - und dabei insbesondere der Zahlung - nur bis zur Festsetzung der Haftungsschuld besteht.

 

Normenkette

AO § § 71 ff., § 69 S. 1, § 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 1; UStG § 14 Abs. 3 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger war von Mitte 1989 bis zum Konkurs der 1987 gegründeten „A-GmbH” (GmbH), Saarbrücken, Alleingeschäftsführer der Gesellschaft (Dok; Bl. 16 Rb 8 FG). Nachdem durch amtsgerichtlichen Beschluss vom 15. Mai 1992 die am 10. April 1992 beantragte Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgelehnt worden war, wurde die Gesellschaft am 3. Mai 1993 von Amts wegen im Handelsregister gelöscht (Dok a. E.).

Die Jahresabschlüsse der Gesellschaft wiesen für 1987 bis 1990 Jahresfehlbeträge – für 1989 und 1990 in Höhe von 97.356,44 bzw. 76.865,89 DM – aus. Lediglich für das Streitjahr 1991 ergab sich ein Jahresüberschuss in Höhe von 30.603,23 DM (Bilanzheft). Ihre Umsatzsteuer(USt)-Voranmeldungen für das Streitjahr gab die GmbH mit Dauerfristverlängerung ab (Bl. 19 USt mit Bl. 1 Hefter Voranmeldungen). Die USt-Jahreserklärung der Gesellschaft, in welcher die Jahres-USt der GmbH für 1991 mit 5.598,40 DM errechnet wird, ging am 19. Januar 1995 beim Beklagten ein (Bl. 20 f. USt).

Durch eine Kontrollmitteilung vom 16. November 1992 erfuhr der Beklagte, dass die Fa. W-GmbH in O – W- zwei ihr von der GmbH unter dem 21. bzw. 30. Oktober 1991 erstellte Rechnungen, die sich einschließlich USt auf 47.880 und 56.088 DM beliefen, am 11. bzw. 29. November 1991 bar bezahlt habe (Bl. 6, 8, 9 Rb). Da die von der GmbH eingereichte USt-Voranmeldung für Oktober 1991 die gemäß den beiden Rechnungen stattgefundenen Umsätze nicht enthielt, nahm der Beklagte den Kläger für die darin ausgewiesene USt (5.880 bzw. 6 888 DM) sowie für rückständige vorangemeldete USt der GmbH aus der Zeit von Februar bis November 1991 durch Bescheid vom 31. August 1994 gemäß §§ 191, 71, 69, 34 AbgabenordnungAO – in Geschäftsführerhaftung (Bl. 15 ff. Rb). Den dagegen mit der Begründung, die beiden Rechnungsbeträge seien im Einvernehmen mit der W bis auf einen Bruttobetrag von 10.000 DM storniert worden (Bl. 4 Rb), fristgerecht eingelegten Einspruch des Klägers wies er durch Einspruchsentscheidung vom 29. November 1995 als unbegründet zurück (Bl. 16 ff.), nachdem er den Kläger vergeblich zur Vorlage der entsprechenden Buchhaltungsunterlagen (Bl. 13 Rb) aufgefordert hatte.

Mit seiner am 28. Dezember 1995 beim Finanzgericht (FG) erhobenen Klage beantragt der Kläger (sinngemäß Bl. 1),

den Umsatzsteuerhaftungsbescheid vom 31. August 1994 in Form der Einspruchsentscheidung vom 29. Dezember 1995 ersatzlos aufzuheben.

Zur Begründung trägt er vor: Er habe weder seine Geschäftsführerpflichten schuldhaft verletzt, noch USt hinterzogen, sondern vielmehr bis zur Löschung der GmbH sämtliche USt ordnungsgemäß angemeldet, jedoch infolge der durch den Konkurs dokumentierten Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nicht entrichten können (Bl. 12, 13, 53).

Die GmbH habe die Beträge der beiden Rechnungen vom Oktober 1991 niemals voll vereinnahmt, da sie die ihr zugrunde liegenden Aufträge mangels Finanzmittel zur Bezahlung von Zulieferern nur zum geringeren Teil habe ausführen können (Bl. 12 f., 31 f., 51). Das habe daran gelegen, dass das Auftragsvolumen erheblich ausgeweitet worden sei. Dies belege der vorgelegte Schriftverkehr mit der W und insbesondere der vormaligen Fa. C (Bl. 33–38), welche die GmbH zur Durchführung des in Aussicht genommenen Auftrages der W habe kontaktieren müssen. Daher sei es erst am 18. März 1992 überhaupt zu einem Angebot der C für die Bedürfnisse der W an die GmbH gekommen (Bl. 39 ff.). Das könnten sowohl der Geschäftsführer der W, Herr P W, als auch die Herren B und L von der C bestätigen (Bl. 13, 31).

Auf die Rechungen vom 21. und 30. Oktober 1991 seien deshalb von der W nur einige Auftragsvorbereitungen vergütet worden. Nur diese erhaltenen Beträge von 10.080 bzw. 11...

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