Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer auf den angesparten Kapitalstock für eine private Altersversorgung. Vermögensteuer 1993 bis 1996

 

Leitsatz (redaktionell)

Wegen der unterschiedlichen privaten Verfügbarkeit der Kapitalstöcke für eine kollektive und eine private Altersvorsorge während und nach der Ansparzeit verstieß es nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, dass das für eine private Altersversorgung angesparte Kapitalvermögen vollumfänglich der Vermögensteuer unterworfen wurde, wohingegen die für die Zahlung von Sozialrenten und Beamtenpensionen benötigten Kapitalstöcke vermögensteuerfrei blieben.

 

Normenkette

VStG 1990 § 10 Nr. 1; BewG § 110 Abs. 1 Nr. 4, § 111 Nr. 3

 

Tenor

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die vom Beklagten der Festsetzung der Vermögensteuer der Klägerin auf den 1. Januar 1993 bzw. 1995 jeweils zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage verfassungsgemäß ist.

Die 1916 geborene Klägerin, die Eigentümerin eines in S belegenen Einfamilienhauses ist (Bl. 3 Rs. VSt), ist seit 1943 Kriegswitwe. Sie ist niemals versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, weil sie zunächst ihren 1936 geborenen und 1961 verstorbenen behinderten Sohn sowie nach dem Tod ihres Vaters ab 1956 auch ihre 1982 verstorbene nervenkranke Mutter gepflegt hat (Bl. 13 FG). Die ihr ab Juni 1951 gewährte monatliche Kriegswitwenrente belief sich am 1. Januar 1993 auf 563,01 DM und am 1. Januar 1995 auf mehr als 584,93 DM (Bl. 7 Rb), ihr Sparvermögen zu diesen Stichtagen auf 499.239,19 bzw. 604.106,23 DM (Bl. 4 VSt).

Ausgehend vom Gesamtwert ihres Grund- und Kapitalvermögens setzte der Beklagte nach Abzug von Freibeträgen durch Bescheide vom 16. Juli 2001 die Vermögensteuer der Klägerin zum 1. Januar 1993 auf 1.960 DM und zum 1. Januar 1995 auf 4.510 DM fest (Bl. 17-20 VSt). Ihre Einsprüche wies der Beklagte durch am 5. März 2003 zur Post gegebene Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2003 als unbegründet zurück (Bl. 7, 8 ff. FG).

Mit ihrer am 7. April 2003 erhobenen Klage beantragt die Klägerin,

unter Änderung der Bescheide vom 16. Juli 2001, jeweils in Form der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2003, die Vermögensteuer für 1993 und 1995 unter Zugrundelegung einer um jeweils 330.780 DM gekürzten Bemessungsgrundlage festzusetzen.

Außer den Kindererziehungszeiten für ihren verstorbenen Sohn habe sie keine eigenen Rentenanwartschaften erwerben können, so dass sich dadurch ihre ohnehin schon geringe Kriegerwitwenrente nur geringfügig erhöht habe (Bl. 13). Deshalb habe sie zur Sicherstellung ihrer Altersversorgung ihr ganzes Leben gleichsam jeden Pfennig gespart und das Ersparte sowie die Zuwendungen ihrer Eltern auf Sparbüchern und zeitweise auch in Sparbriefen angelegt (Bl. 13 f.). Wenn daher für die meisten Steuerpflichtigen der zu ihrer Altersversorgung gebildete Kapitalstock auch nach der Vollendung des 60. Lebensjahres gemäß § 111 Nr. 3 BewG steuerfrei bleibe oder deren Altersversorgung dadurch gesichert sei, dass sie ohne einen speziell für sie geschaffenen Kapitalstock an dem Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung teilnähmen, müsse § 111 Nr. 3 BewG auf ihre eigene Alterskapitalbildung zumindest analog angewandt werden. Denn für die vermögensteuerliche Begünstigung der Werte erworbener gesetzlicher Renten- oder Pensionsanwartschaften sowie der freiwilligen Altersvorsorge Selbständiger in Form von Lebensversicherungen auf Rentenbasis fehle jeder sachlich einleuchtender Grund (Bl. 14).

Das bedeute aber nicht nur einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sondern auch gegen Art. 2 GG, indem durch diese ungerechtfertigte Privilegierung dem Steuerpflichtigen eine bestimmte Form seiner Altersvorsorge vorgeschrieben werde (Bl. 14). Das sei rechtlich um so bedenklicher, als das BVerfG in seinem Vermögensteuerbeschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BStBl II 1995, 655 ausdrücklich festgestellt habe, dass der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung gegen eine Sollertragssteuer abzuschirmen habe, weil das Vermögen in Ergänzung zum Arbeitseinkommen und den Altersbezügen dem Bürger einen Freiraum für die individuelle eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebensbereiches verschaffen solle und deshalb besonders schutzwürdig sei (Bl. 14 f.).

Folgerichtig müsse dieser Schutz erst recht demjenigen zugebilligt werden, der entweder keine oder nur geringfügige eigene Rentenanwartschaften besitze, so dass das Kapitalvermögen der Klägerin insoweit von der Vermögensteuer freizustellen sei, als dies die Sicherung einer angemessenen Altersrente nach den Vorschriften des BewG erfordere (Bl. 15).

Als in diesem Sinne angemessen erscheine eine durchschnittliche Monatsrente von 2.500 bis 3.000 DM. Um der Klägerin nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres eine sich daraus ergebende Jahresrente von 30...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge