rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
PKW-Nutzung. Schätzung. Einzelunternehmer. mehrere Fahrzeuge. Fahrtenbuch. Vorsteuer. Verwendungseigenverbrauch. unternehmerische Nutzung
Leitsatz (redaktionell)
1.Eine allgemeine, auf der Lebenserfahrung beruhende Regel-Vermutung dafür, dass bei einem Einzelunternehmen Zweit- und Drittfahrzeuge zu weniger als 10% unternehmerisch genutzt werden, besteht nicht (gegen BMF-Schreiben vom 29. Mai 2000, BStBl. I 2000, 819).
2. Bei der Schätzung der privatanteiligen Kosten zu Zwecken der Umsatzsteuer kommt die 1%-Regel grundsätzlich nicht zur Anwendung. Hält ein Einzelunternehmer mehrere, ausschließlich von ihm genutzte KFZ im Unternehmensvermögen, so ist – soweit der Unternehmer nicht das Gegenteil nachweist – davon auszugehen, dass alle KFZ auch privat genutzt werden.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 1 Buchst. b, § 3 Abs. 9 Buchst. a
Tenor
1. Unter Änderung des Bescheides vom 20. Dezember 2001 wird die Umsatzsteuer 1999 unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuerbeträge i.H.v. 14.576,97 EUR (28.510,08 DM) und weiterer Umsatzsteuern auf Privatanteile i.H.v. 3.510,38 (6.865,72 DM) festgesetzt. Dem Beklagten wird aufgegeben, den Steuerbetrag unter Beachtung der Ausführungen unter Nr. 4 der Entscheidungsgründe (S. 11 ff.) zu berechnen.
2. Im übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens werden zu ¾ dem Beklagten und zu ¼ dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht der Kläger Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger erklärt als „IT Trainer/Dozent” Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seine Jahresabschlüsse weisen u.a. folgende Daten aus:
Jahr |
1996 |
1997 |
1998 |
1999 |
Umsatz |
724.693 |
798.241 |
1.038.844 |
765.179 |
Gewinn |
302.570 |
359.022 |
312.599 |
310.073 |
Die Tätigkeit ist mit zahlreichen Geschäftsreisen und Übernachtungen verbunden (Bl. 9 Rbh). Dem Unternehmen standen nach Darlegung des Klägers folgende Fahrzeuge zur Verfügung (Bl. 10f. Rbh; Bl. 139 ff.):
PKW 1: Mercedes Benz 600 L |
– Kennzeichen A |
PKW 2: Jaguar XK 8 |
– Kennzeichen B |
PKW 3: Jaguar Double Six |
– Kennzeichen C |
PKW 4: Jaguar XKR |
– Kennzeichen D |
PKW 5: Mercedes CL 600 Coupe |
– Kennzeichen E |
Daten im Überblick :
|
Wert in DM brutto |
Erwerb durch |
Besitzdauer |
Km-Leistung |
Sonstiges |
PKW 1 |
203.347+ 30.502,08 |
Leasing |
5/94 – 8/97 |
ca. 140.000 |
Keine Leasingabrechnung |
PKW 2 |
127.121+ 24.069 s. Bl. 149 |
Mietkauf |
4/97 – 12/01 |
28.4.01: 53.953 |
Kein Vertrag über den Verkauf oder Mietkaufabrechnung; Kein Privatanteil |
PKW 3 |
214.997+ 32.249 s. Bl. 152 |
Mietkauf |
8/97 – 2/01 ? |
25.11.00: 85.217 |
Kein Vertrag über den Verkauf oder Mietkaufabrechnung; Kein Privatanteil |
PKW 4 |
145.689+ 28.415 s. Bl. 162 |
Mietkauf |
6/99 – ?/04 |
7/2001: 25.358 |
Unfall-+ Motorschaden; Kein Vertrag über den Verkauf oder Mietkaufabrechnung; Privatanteil nach der 1%-Regel, s. Bl. 117 |
PKW 5 |
215.240+ 34.438 s. Bl. 171 |
Kauf |
12/00 – ?/04 |
4.2.02: 45.584 |
Kein Vertrag über den Verkauf; Kein Privatanteil |
Von Dezember 2001 bis Oktober 2002 wurde beim Kläger eine Außenprüfung für 1995 bis 1997 durchgeführt. Auf Seite 5 seines Berichtes vom 28. Oktober 2002 legte der Prüfer bezüglich der Fahrzeuge dar (Bl. 11 BpA):
„Der Stpfl. hat nicht ausreichend belegt bzw. glaubhaft gemacht, dass mehr als ein PKW in wesentlichem Unfang betrieblich genutzt wurde. In einer – im Rahmen der ESt-Veranlagung angeforderten – Stellungnahme vom 28.4.97 begründete der Steuerberater des Stpfl. die betriebliche Notwendigkeit damit, daß ein PKW freien Mitarbeitern des Stpfl. zur Verfügung gestellt wurde. Nach Feststellung der BP ist diese Behauptung jedoch unzutreffend, da alle freien Mitarbeiter eigene PKW nutzten und die Kosten dem Stpfl. in Rechnung stellten. Daher wurden seitens der BP die Kosten und Vorsteuern nur für einen PKW berücksichtigt. Soweit eine Trennung der Kosten nicht möglich war, erfolgte eine Kürzung um (50% × 8/12 zeitant. ab Mai) = rd. 33%.”
In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Juli 1999 und Dezember 2000 hat der Kläger u.a. folgende Vorsteuerbeträge geltend gemacht:
Zeitraum |
PKW |
Vorsteuer |
Juli 1999 |
Nr. 4 |
28.510,08 DM |
Dezember 2000 |
Nr. 5 |
34.438,40 DM |
In den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden für Juli 1999 vom 7. Februar 2001 und Dezember 2000 vom 5. Februar 2001 hat der Beklagte diese Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zugelassen. Grundlage hierfür war eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum Juli 1999, die am 25. Oktober 2000 beim Kläger durchgeführt worden ist. Auf Seite 4 des Prüfungsberichtes vom 18. Januar 2001 heißt es (Bl. 4 RbhA):
„Anlässlich der Prüfung in den Praxisräumen des bevollmächtigten RA L unter Anwesenheit des Stber. S konnte kein Nachweis über den Anteil der unternehmerischen/privaten Nutzung insbesondere im Hinblick auf die Vorschriften des § 15 Abs. 1 b UStG (ab 01.04.99) erbracht werden. Seitens der Steuerberatung wurde zugesagt, den Nachweis kurzfristig erbringen zu wo...