Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtbefolgung des Geschäftsführers einer GmbH eines auf § 160 AO gestützten Benennungverlangens ist keine haftungsbegründende Verletzung der Steuererklärungspflicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Umstand, dass das FA die Betriebsausgaben unter Berufung auf § 160 Abs. 1 S. 1 AO nicht in voller Höhe berücksichtigt, führt nicht dazu, dass die erklärte und zunächst festgesetzte (im Streitfall: Körperschaft-)Steuer fehlerhaft war. Bis zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs ist der Tatbestand, der Grundlage für die Mehrsteuer ist, nicht erfüllt.
2. In dem Umstand, dass der Geschäftsführer einer GmbH dem Verlangen des FA, die Empfänger bestimmter Zahlungen zu benennen, nicht nachgekommen ist, liegt keine Verletzung der Steuererklärungspflicht.
3. Der Haftungstatbestand des § 69 AO i. V. m. §§ 34, 35 AO knüpft allein an die Nichterfüllung der dem Geschäftsführer, nicht dem Gesellschafter obliegenden Pflichten an. Hieran ändert auch eine Doppelfunktion als Geschäftsführer und Gesellschafter nichts. Dies gilt erst recht, wenn der Geschäftsführer nicht selbst Gesellschafter ist, sondern lediglich eine mittelbare Beteiligung besteht.
Normenkette
AO §§ 69, 34-35, 160 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Der Haftungsbescheid vom 17. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2009 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird gestattet, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die haftungsweise Inanspruchnahme des Klägers für Steuerschulden der X – GmbH (künftig: GmbH).
Der Kläger, seine Schwester S und – bis 24. Januar 2005 – deren Mutter M (künftig: M, Bl. 85 HaftO) waren jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH. Die GmbH wurde 1984 als Y GmbH gegründet und mit Gesellschafterbeschluss vom 30. Januar 2009 in die GmbH umfirmiert. Gesellschafter waren zunächst der Kläger, S (jeweils mit 24,5 % des Stammkapitals) und M (mit 51% des Stammkapitals), seit 17. August 2006 die Z-Vermögensverwaltung GmbH (mit 100 % des Stammkapitals; Bl. 180 HaftO). Unternehmensgegenstand waren der Handel und die Verwertung von Schrott und Metallen, seit Januar 2009 die Verwaltung eigenen Vermögens (Bl. 85 HaftO).
Im November 2003 begann bei der GmbH eine Betriebsprüfung für die Jahre 1999 bis 2001, die im Januar 2004 auf 1998 ausgedehnt wurde. Nach den Feststellungen des Prüfers erfolgte der Einkauf von „Schrott ohne Vorsteuereinbehalt” gegen Barzahlung. Hierfür wurden so genannte Eigenbelege erstellt. Auf diesen befanden sich Namen von „Privatanlieferern”. Da der Prüfer davon ausging, dass die angegebenen Schrottmengen nicht ausschließlich von den in den Eigenbelegen ausgewiesenen Personen, sondern von Unternehmen geliefert worden waren, forderte er die GmbH gem. § 160 AO zur Benennung der Schrottanlieferer auf. Nachdem das Benennungsverlangen auch in der Schlussbesprechung am 26. Mai 2008 erfolglos geblieben war, kürzte der Betriebsprüfer im Schätzungswege (§ 162 AO) die Betriebsausgaben „Wareneinkauf ohne Vorsteuer” auf Grundlage des § 160 AO zu 60 %. Der Beklagte schloss sich der Auffassung des Betriebsprüfers an und erließ am 13. November 2008 entsprechende geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2001. Die hieraus resultierenden Steuerschulden betrugen einschließlich der steuerlichen Nebenleistungen 3.573.659,56 EUR.
Nachdem am 13. September 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden war, nahm der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 17. März 2009 in Höhe von 2.998.111,98 EUR in Haftung (Bl. 48 HaftA); der Haftungsbescheid war auf §§ 69, 34, 35 AO sowie auf § 71 AO gestützt. Haftungsbescheide in der selben Höhe ergingen auch gegenüber S und M (Bl. 55 ff HaftA).
Am 27. März 2009 legte der Kläger Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein (Bl. 73 HaftA). In seiner Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2009 stützte der Beklagte die Haftungsinanspruchnahme des Klägers nur noch auf §§ 69, 34, 35 AO und setzte die Haftungssumme auf 2.110.101,10 EUR herab (Bl. 9 ff).
Am 22. Oktober 2009 hat der Kläger Klage erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2011 hat der Senat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Haftungsbescheid aufgehoben. Am 24. November 2011 hat der Beklagte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 17. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2009 aufzuheben.
Der Kläger ist der Auffassung, ihn treffe kein haftungsbegründendes Verschulden. Er habe als Geschäftsführer keine unrichtigen Steuererklärungen eingereicht. Denn der GmbH seien die geltendgemachten Betriebsausgaben tatsächlich entstanden. Zu einer Versagung des Betriebsausgabenabzugs sei es erst gekommen, nachdem die GmbH dem Be...