Entscheidungsstichwort (Thema)
Abweichung von der hälftigen Aufteilung eines Einkommensteuererstattungsanspruchs bei zusammenveranlagten Ehegatten; Zuständigkeit der Vollstreckungs-, der Veranlagungsstelle oder der Finanzkasse für mündliche Tilgungsabsichtserklärungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Leben zusammenzuveranlagende Ehegatten in intakter Ehe, so ist von der grundsätzlich vorzunehmenden Aufteilung eines Einkommensteuer-Erstattungsbetrages nach Köpfen nur abzuweichen, wenn für das FA im Zeitpunkt der Zahlung ausdrückliche gegenteilige Absichtsbekundungen oder sonstige vergleichbare Umstände erkennbar sind.
2. Die ausdrückliche Absichtserklärung, dass Steuerzahlungen eines Ehegatten nicht zugleich auch die Einkommensteuerschulden des anderen begleichen sollen, kann auch mündlich gegenüber der Finanzkasse, der Vollstreckungsstelle oder der Veranlagungsstelle geäußert werden. Das FA muss sich die Kenntnis einer der drei für die Kundgabe einer abweichenden Tilgungsabsicht in Betracht kommenden Dienststellen zurechnen lassen.
3. Die von einem Ehegatten bereits vor der Entrichtung von Einkommensteuervorauszahlungen bekundete Tilgungsabsicht, Steuerzahlungen keinesfalls auf Steuerschulden des anderen Ehegatten leisten zu wollen, wird weder dadurch nachträglich gegenstandslos, dass sich für die Folgejahre Einkommensteuernachzahlungen ergeben, noch das nach Ablauf des Veranlagungszeitraums getrennte Veranlagung beantragt wird.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2, § 44 Abs. 1 S. 1, § 218 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin wurde vom Beklagten mit ihrem früheren Ehemann, von dem sie seit rd. fünf Jahren geschieden ist, zusammen zur Einkommensteuer – ESt – veranlagt (Bl. 26, 60 f.). Für 1990 – sowie zunächst auch für 1991 und 1992 – ergaben sich Erstattungsbeträge in Höhe von 5.249,70 DM (1990), 4.657,28 DM (1991) und 12.338 DM (1992, Bl. 7). Es ist nur noch streitig, in welcher Höhe die Erstattungsbeträge für 1990 der Klägerin zuzurechnen sind, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit betreffend die Zurechnung der Erstattungsansprüche für 1991 und 1992 in der mündlichen Verhandlung im deswegen abgetrennten Verfahren 1 K 354/00 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, weil für diese beiden Jahre Nachsteuern zur ESt bestandskräftig festgesetzt worden sind.
Infolge von Aufrechnungen des Beklagten hatten die damaligen Eheleute die Erteilung entsprechender Abrechnungsbescheide beantragt (Bl. 45, 47 Rb). Diese ergingen betreffend die Erstattungsansprüche für 1990 und das erledigte Streitjahr 1991 am 13. Juli 1993 gegenüber den Eheleuten (Bl. 32 ff. Rb) sowie für das ebenfalls erledigte Streitjahr 1992 am 25. April 1994 gegenüber dem Ehemann der Klägerin (Bl. 49 f. Rb). Die beiden Abrechnungsbescheide wurden auf die Einsprüche der Eheleute und des Ehemannes der Klägerin (Bl. 42, 51 Rb) durch Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 1994 nach § 130 Abgabenordnung – AO – mit dem Hinweis, dass sich dadurch ihre Einsprüche erledigt hätten, zurückgenommen (Bl. 53 Rb).
Alsdann erließ der Beklagte am 27. Oktober 1994 einen erneuten Abrechnungsbescheid gegenüber der Klägerin, in welchem ihr die Erstattungsansprüche für 1990 – und vormals auch für 1991 sowie 1992 – im Wesentlichen nur je zur Hälfte zugerechnet wurden (Bl. 59 ff. Rb). Der Einspruch der Klägerin blieb weitgehend erfolglos. Auf die Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 1995 (Bl. 6 ff.) wird verwiesen.
Am 14. März 1995 hat die Klägerin beim Beklagten ihre Klage angebracht (Bl. 2).
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Abrechnungsbescheides vom 27. Oktober 1994 in Form der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 1995 ihre Erstattungsansprüche aus Einkommensteuer und Nebenabgaben für 1990 in vollem Umfange ihr zuzurechnen.
Sie hält den Bescheid für formell fehlerhaft, da er keinen Hinweis darauf enthalte, dass die vorausgegangenen aufgehobenen Abrechnungsbescheide wegen fehlerhafter Bekanntgabe unwirksam seien (Bl. 20). Eventuell fehlerhafte Bekanntgabeadressaten hätten aber in der Einspruchsentscheidung behoben und die Einsprüche dann zur der Sache beschieden werden müssen (Bl. 21, 22).
Für den Erlass des erneuten Abrechnungsbescheides vom 27. Oktober 1994 fehle es zudem nach §§ 130, 131 AO sowie unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung an jedweder Rechtsgrundlage (Bl. 20, 22, 33 f.).
Auch materiell sei der Bescheid fehlerhaft. Selbst bei Zugrundelegung des im Übrigen verfassungsrechtlich problematischen Urteils des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BStBl II 1990, 41 seien für das Finanzamt – FA – Anhaltspunkte dafür erkennbar gewesen, dass sie keinesfalls zu Gunsten ihres Ehemannes Steuerzahlungen – und damit auch keine ESt-Vorauszahlungen für Rechnung beider Eheleute – habe leisten wollen (Bl. 23, 22, 64; 18, 46).
Zudem seien für den Ehemann weder LSt-Abzugsbeträge angefallen, noch habe er angesichts der von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung aus sonstigem Vermögen ESt-Vorauszahlungen leisten können (Bl. 19 FG mit 43 Rb; 24, 19...