rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des technischen Geschäftsführers für Lohnsteuerrückstände
Leitsatz (redaktionell)
Steht fest, dass bei mehreren Geschäftsführern einer GmbH, der für den technischen Bereich zuständige Geschäftsführer die ihm obliegenden Überwachungspflichten nicht verletzt hat und er keine Kenntnis von den Lohnsteuerrückständen, für die er vom FA durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen wird, erlangen konnte, weil der – später wegen Urkundenfälschung, Untreue und Betrug verurteilte – kaufmännische Geschäftsführer, an dessen persönlicher Vertrauenswürdigkeit und fachlicher Eignung zu diesem Zeitpunkt kein Zweifel bestand, bei den wöchentlichen Geschäftsführertreffen die wirtschaftliche Unternehmenslage stets positiv darstellte, Nachfragen in der Buchhaltung zu keinem anderen Ergebnis geführt hätten und kein Zugriff auf Finanzdaten bestand, scheidet eine Haftung auch bei Nichtvorlage schriftlicher Tätigkeitsbestätigungen für die Geschäftsführer aus.
Normenkette
AO §§ 69, 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1; EStG §§ 38a, 38 Abs. 3 S. 1, § 41a Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Der Haftungsbescheid vom 16. Dezember 2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19. November 2004 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuer-Haftungsbescheides.
Der Kläger war einer der beiden Geschäftsführer der X GmbH (GmbH), einer Gesellschaft der X-Gruppe.
Zweck des Unternehmens waren Herstellung und Vertrieb von Karosserie-Rohbauteilen für die Automobilindustrie.
Ausgangspunkt dieses Unternehmens war die X & Y GmbH, an der der Zeuge S ab 1988 zunächst mit 30 %, ab 1989 mit 90 % und ab 1994 – teilweise über eine Beteiligungsgesellschaft und zeitweise zusammen mit seiner Ehefrau – zu über 95 % beteiligt war. Ab dem Jahr 2000 wurde das Unternehmen neu strukturiert. Zweiter, auch allein zeichnungsberechtigter Geschäftsführer war der Zeuge S, der wegen gefälschter Unterlagen zur Erlangung von Kreditzusagen und der Abzweigung von Firmengeldern am 4. Juli 2003 rechtskräftig wegen Urkundenfälschung, Untreue und Betrug verurteilt worden ist (Bl. 1072 ff. 00 Js 0000/00 – Urteil des LG Z vom 4. Juli 2003, 0-00/00). Unter dessen Führung war das ursprüngliche Unternehmen von einem Jahresumsatz von 3 Mio. DM und drei Mitarbeitern im Jahre 1988 über einen Umsatz von 35 Mio. DM und 180 Mitarbeitern bis zu einem Umsatz von 120 Mio. DM bei 800 Mitarbeitern im Jahr 2000 gewachsen (Urteil des LG Z vom 4. Juli 2003, 0-00/00 a. a. O.). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des LG Z vom 4. Juli 2003 Bezug genommen.
Wegen der für die Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume März 2002 bis Mai 2002 von der GmbH angemeldeten Lohnsteuer-, Solidaritätszuschlag- und Kirchensteuerbeträge nebst Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt X EUR nahm der Beklagte den Kläger mit Haftungsbescheid vom 16. Dezember 2002 in Anspruch (Bl. 33 Rb-A). Der dagegen am 16. Januar 2003 eingelegte Einspruch (Bl. 38 f. Rb-A) wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19. November 2004 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 35 ff.).
Mit der Klage vom 29. November 2004 beantragt der Kläger,
den Haftungsbescheid vom 16. Dezember 2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung 19. November 2004 aufzuheben.
Er macht geltend, er sei als Diplom-Ingenieur nur für den technischen Bereich der GmbH zuständig gewesen (Bl. 21 f.). Nach dem Organigramm der Unternehmen und der eidesstattlichen Versicherung des anderen Geschäftsführers, S, sei der Bereich Finanzen und Personal von der X-Holding in Z alleine von diesem und von Z aus betreut worden (Bl. 18 Rb-A). Es habe auch kein Anlass bestanden, an der ordnungsgemäßen Erledigung der Aufgaben, einschließlich der Erfüllung der lohnsteuerlichen Pflichten, zu zweifeln. Bis Juli 2002 – als ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde – habe er nie Anlass gehabt, daran zu zweifeln, dass Herr S seinen Pflichten als kaufmännischer Geschäftsführer nicht in vollem Umfang nachgekommen wäre (Bl. 21 f. Rb-A).
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Er ist der Ansicht, jeder Geschäftsführer einer GmbH habe die Geschäftsführung im Ganzen zu überwachen, insbesondere im Fall drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Diese Pflicht treffe die Geschäftsführer unabhängig von einer tatsächlichen Aufgabenverteilung. Selbst wenn eine interne Aufgabenverteilung bestehe, trete die Gesamtverantwortlichkeit des einzelnen nicht betroffenen Geschäftsführers nur so lange zurück, als der zur Wahrnehmung der steuerlichen Aufgaben berufene Geschäftsführer diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns wahrnehme. ...