Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis von Fahrtaufwendungen bei ungewöhnlich langem Fahrweg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Einkommensteuer 1996 bis 1998
Leitsatz (amtlich)
Eine Behörde oder ein Gericht ist nicht gehalten, relativ aufwendige und unsichere Beweise (z.B. die Aussagen nahestehender Personen) zur Durchführung von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu erheben, wenn es ein Steuerpflichtiger selbst unterlässt, leicht zu erhebende und aussagekräftige Beweismittel (z.B. Urkunden und sonstige Belege), über die er verfügt oder verfügen musste, vorzulegen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Ansatz von Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in den Streitjahren 1996 bis 1998.
Die Klägerin arbeitete in diesem Zeitraum bei einem Unternehmen in Wiesbaden. Die tägliche Arbeitszeit betrug neun Stunden. Als Bruttoarbeitslohn erzielte sie in den Streitjahren jeweils rund 75.000 DM. Sie lebte zusammen mit ihrem Partner, Herrn X, in nichtehelicher Lebensgemeinschaft.
In den Einkommensteuererklärungen 1996 bis 1998 machte sie jeweils Kosten für arbeitstägliche Fahrten mit dem Pkw von Völklingen nach Wiesbaden geltend: Für 1996 insgesamt 29.274, – DM (205 Tage × 204 km × 0,70 DM), für 1997 26.989,20 DM (189 Tage × 204 km × 0,70 DM) und für 1998 24.847,20 DM (174 Tage × 204 km × 0,70 DM).
Im Zuge der Veranlagung 1996 stellte der Beklagte Ermittlungen wegen der Fahrtaufwendungen an. Er erließ schließlich am 26. Mai 1998 einen Einkommensteuerbescheid, der die erklärten Fahrtaufwendungen anerkannte, insoweit aber wegen bestehender Unklarheiten vorläufig nach § 165 Abgabenordnung (AO) erging. Auch für die beiden Folgejahre verfuhr der Beklagte entsprechend. Die jeweiligen Bescheide datieren vom 20. April 1999. Sie erlegen der Klägerin die Führung eines Fahrtenbuches auf.
Die Ermittlungen des Beklagten ergaben, dass die Klägerin am 5. August 1996 auf die Klägerin einen gebrauchten Ford Sierra auf sich zugelassen hatte. Der Tacho dieses Fahrzeugs wies lediglich fünf Stellen auf. Ausweislich einer Bestätigung des Arbeitgebers der Klägerin sollte der Tachostand am 9. Oktober 1996 (1)41.498 Kilometer betragen haben. Am 9. Februar 1999 stellte die Klägerin dem Beklagten den Ford Sierra vor. Bei der Vorführung wurde ein Kilometerstand von 88.161 abgelesen. Nach Darstellung der Klägerin sollte der tatsächliche Kilometerstand (2)88.161 Kilometer betragen haben, wovon der Beklagte auch im weiteren Verfahren ausgegangen ist.
Am 21. November 1996 hatte die Klägerin einen Toyota Celica erworben, der auf ihren Lebensgefährten zugelassen worden war und nach Angaben der Klägerin auch von ihr genutzt wurde.
Mit Bescheiden vom 16. Juli 1999 änderte der Beklagte gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 AO diese Festsetzungen: Für alle drei Veranlagungszeiträume erkannte er nunmehr jeweils lediglich noch 48 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an. Dabei ging er davon aus, dass die Klägerin unter der Woche in Wiesbaden gelebt habe und nur am Wochenende nach Völklingen zurückgefahren sei. Der Beklagte begründete die Änderungsbescheide u. a. damit, dass die Laufleistung des Ford zwischen dem 9. Oktober 1996 und dem 9. Februar 1999 von 146.663 Kilometer sich nicht mit den von der Klägerin für 1997 bis 1998 geltend gemachten Fahrtkosten nach Wiesbaden in Einklang bringen lasse: Denn alleine schon in diesen beiden Jahren müsse sie ihren Steuererklärungen zufolge 148.104 Kilometer gefahren sein.
Gegen die Änderungsbescheide legte die Klägerin am 19. Juli 1999 Einspruch ein, der u. a. damit begründet wurde, dass sie regelmäßig auch Autos ihres Lebensgefährten genutzt habe. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens verlangte das beklagte Finanzamt von der Klägerin neben dem Fahrtenbuch u. a. mehrmals die Vorlage sämtlicher Unterlagen über die Pkw-Nutzung sowie Angaben darüber, wann welches Auto für die Fahrten nach Wiesbaden genutzt wurde. Abgesehen von einer Rechnung über den Kauf des Toyota, einer Inspektionsrechnung und dem Fahrtenbuch reichte die Klägerin keine Belege ein, da sie diese nicht mehr habe finden können. Ebenso wenig wurden nähere Angaben über die Nutzung der verschiedenen Pkw gemacht.
Die Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2000 änderte die Steuerfestsetzung insofern ab, als bei den Werbungskosten jährlich 125 Fahrten zwischen Völklingen und Wiesbaden als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anerkannt wurden. Dabei ging der Beklagte davon aus, dass die Klägerin (fast) ausschließlich den auf sie zugelassenen Ford genutzt habe. Die Anzahl von 125 Fahrten jährlich ermittelte der Beklagte im Wege der Schätzung, indem er aus den in den 28 Monaten zwischen dem 9. Oktober 1996 und dem 9. Februar 1999 insgesamt gefahrenen 146.663 Kilometern eine durchschnittliche Jahresfahrleistung errechnete und dabei zusätzlich monatlich 1.000 km ...