rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsverbot nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Nach Einstellung des Insolvenzverfahrens kann sich der Schuldner nicht mehr auf das nach § 210 InsO bestehende Vollstreckungsverbot für die vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstandenen Masseverbindlichkeiten berufen.
- Eine Beschränkung der Nachhaftung des Insolvenzschuldners für Masseverbindlichkeiten besteht mangels eines zurechenbaren Handlungsbeitrages des Sachwalters nicht für Umsatzsteuerrückstände, die durch die Betätigung des Schuldners während eines Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung begründet wurden (vgl. für Einkommensteuerschulden: BFH-Urteil vom 28. November 2017 - VII R 1/16 -, BFHE 260, 26, BStBl II 2018, 457).
Normenkette
InsO § 80 Abs. 1, § 209 Abs. 1 Nr. 3, §§ 210, 270; AO § 251 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung diverser Umsatzsteuerbescheide sowie von einzelnen Vollstreckungsmaßnahmen, welche das Finanzamt in Bezug auf die sich aus den Umsatzsteuerfestsetzungen ergebenden Steuerrückstände getroffen hat.
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Der Antragsgegner, das Finanzamt, betreibt derzeit gegen ihn die Zwangsvollstreckung wegen im Einzelnen streitiger Steuerrückstände für die Zeiträume 2009 bis 2017.
Über das Vermögen des Antragstellers war beim Amtsgericht ein Insolvenzverfahren -- anhängig, in dem durch Beschluss des Amtsgerichts vom 17.07.2008 Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters angeordnet wurde. Nach der zweiten Anzeige der Masseunzulänglichkeit wurde das Insolvenzverfahren durch Beschluss des Amtsgerichts vom 06.07.2018 mangels Masse eingestellt. Bereits im Februar 2015 war dem Antragsteller vom Amtsgericht gemäß § 300 Abs. 1 S. 1 der Insolvenzordnung - InsO - Restschuldbefreiung erteilt worden.
Hinsichtlich der vom Antragsteller zu entrichtenden Umsatzsteuer war und ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob und ggf. für welche Veranlagungszeiträume dem Antragsteller eine Genehmigung zur Ist-Besteuerung gemäß §§ 13 Abs. 1 Nr. 1b), 20 Umsatzsteuergesetz - UStG - erteilt worden ist oder ob er seine Umsätze der Regelbesteuerung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 a) UStG zu unterwerfen habe. Diese Frage war bereits Gegenstand des vor dem beschließenden Senat anhängigen Klageverfahrens 5 K 3317/16 U wegen Umsatzsteuer 2013. Dieses Klageverfahren endete bis auf Weiteres mit einer Löschung in den Registern des Gerichts (Beschluss 5 K 3317/16 U vom 21.12.2018), nachdem das Finanzamt die entsprechende Einspruchsentscheidung vom 24.10.2016 aufgehoben hatte.
Die rückständige Umsatzsteuer für 2013 setzte das Finanzamt durch Verfügung vom 29.08.2019 für die Dauer des wieder anhängigen Einspruchsverfahrens aus.
Der Sachverhalt, der den weiteren Umsatzsteuerfestsetzungen für 2009 und 2010 sowie 2014 bis 2017, deren Aussetzung der Vollziehung der Antragsteller vorliegend (neben der Umsatzsteuerfestsetzung für 2013) begehrt, lässt sich nach Aktenlage und dem Sachvortrag der Beteiligten wie folgt zusammenfassen:
Gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2009 und 2010, jeweils vom 15.12.2011 hatte der Antragsteller je durch Schreiben vom 05.01.2012 Einsprüche eingelegt, ohne diese in der Folgezeit zu begründen.
Gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung vom 19.03.2012 betreffend die Umsatzsteuerbescheide für 2009 und 2010, die an den Antragsteller per Post an die vermeintliche Wohnadresse versandt wurde, wurde keine Klage erhoben.
Der Antragsteller trägt diesbezüglich vor, ihm sei die Einspruchsentscheidung nicht zugegangen, da sich seine gültige Wohnadresse bereits seit April 2008 unter einer anderen Anschrift befunden habe, was eine Auskunft des Einwohnermeldeamtes bestätigen könne. Die vorher bewohnte Immobilie habe er bereits 2008 veräußert.
Hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide 2014 bis 2016 war unter dem Aktenzeichen 13 K 3468/18 U ein Klageverfahren anhängig. Über diese Klage ist mittlerweile durch rechtskräftiges Urteil vom 17.12.2019 des 13. Senats, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, entschieden.
Gegen den - mangels Vorliegens einer Steuererklärung im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ergangenen - Umsatzsteuerbescheid für 2017 vom 14.03.2019 hat der Antragsteller durch Schreiben vom 12.04.2019 fristgemäß Einspruch eingelegt, ohne diesen in der Folgezeit zu begründen oder die Steuererklärung einzureichen. Über den Einspruch hat das Finanzamt noch nicht entschieden.
Das Finanzamt hat bezüglich der hier streitigen Abgabenrückstände diverse Vollstreckungsmaßnahmen - Versendung von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen an vermeintliche Drittschuldner, Vollstreckungsversuche des Vollziehungsbeamten, Ladung des Antragstellers zur Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 284 der Abgabenordnung - AO - getroffen und hierbei die Vollstreckung im Laufe des Verfahrens auf die Umsatzsteuerrückstände ab 2013 nebst Säu...