Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr – Voraussetzung der tatsächlichen Zahlung der Geschäftsgebühr – Geltung bei Prozesskostenhilfe
Leitsatz (redaktionell)
Die Anrechnung der bei der Vertretung im steuerrechtlichen Einspruchsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG auf die aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr des im Verfahren der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts ist nach § 15a Abs. 1 RVG ausgeschlossen, wenn keine Zahlung auf die Geschäftsgebühr erfolgt ist.
Normenkette
RVG § 15a Abs. 1-2, § 45 Abs. 1, § 55 Abs. 5
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der nach den Bestimmungen der §§ 45 ff des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes –RVG festzusetzenden Vergütung.
Der Erinnerungsführer hatte im Hinblick auf die Bewilligung von Kindergeld die rechtlichen Interessen seines Mandanten vertreten, und zwar zunächst nach Erlass des ablehnenden Bescheides der Familienkasse vom 6. November 2009 im Rahmen des sich anschließenden Einspruchsverfahrens, in dem er mit Schreiben vom 30. November 2009 Einspruch einlegte, nachdem ihm der Mandant unter dem 19. November 2009 Vollmacht erteilt hatte.
Nach Erlass der unter dem 18. März 2010 ergangenen Einspruchsentscheidung trat der Erinnerungsführer auch als Prozessvertreter im Klageverfahren (10 K 1301/10 Kg) auf. Für dieses Verfahren war dem Mandanten des Erinnerungsführers mit Beschluss vom 11. Oktober 2010 aus einem Streitwert in Höhe von 7.392,- EUR teilweise Prozesskostenhilfe gewährt und der Erinnerungsführer als Prozessvertreter beigeordnet worden.
Die Klage ist mit Urteil vom 2. November 2010 abgewiesen worden.
In seinem Antrag vom 3. November 2010 bat der Erinnerungsführer unter Berufung auf die Regelungen der §§ 45 ff RVG und auf das dazu erstellte Vergütungsverzeichnis VV RVG um die Festsetzung folgender Gebühren:
Gegenstandswert: 6.622,- EUR
Verfahrensgebühr (§ 49 RVG, Nr. 3100 VV RVG) 299,00 EUR
Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) 276,00 EUR
Fahrtkosten (Nr. 7004 VV RVG) 224,00 EUR
Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV RVG) 60,00 EUR
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR
Zwischensumme 879,00 EUR
Umsatzsteuer 124,45 EUR
Summe 1.003,45 EUR
Darüber hinaus erklärte er, weder Vorschüsse noch sonstige Zahlungen oder Gebühren für die Beratungshilfe erhalten zu haben. Zu der Frage, ob er für eine außergerichtliche Vertretung bezüglich (eines Teils) desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr erhalte habe, äußerte sich der Erinnerungsführer nicht.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wies den Erinnerungsführer mit Schreiben vom 8. Dezember 2010 darauf hin, dass die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die geltend gemachte Verfahrensgebühr in Betracht komme, da der Erinnerungsführer bereits im Vorverfahren für den Mandanten tätig gewesen sei. Im Übrigen ergebe sich aufgrund des Prozesskostenhilfebeschlusses ein Streitwert von 2.772,- EUR.
Der Erinnerungsführer teilte daraufhin mit, eine Kürzung der Vergütung aus der Staatskasse komme nicht in Betracht, weil es bereits an einer denklogisch erforderlichen Vergütung aus der Staatskasse betreffend die vorgerichtliche Tätigkeit fehle. Dazu verwies er auf eine Entscheidung des Finanzgerichts –FG Sachsen-Anhalt (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG 2010, 1820). Die zu bestimmende Rahmengebühr sei mit 1,5 anzusetzen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle folgte dem Antrag des Erinnerungsführers nicht. Mit Beschluss vom „21. November 2011” (gemeint: 21. Januar 2011) setzte sie die Vergütung wie folgt fest:
Gegenstandswert: 2.772,- EUR
1,3 Verfahrensgebühr (lt. Antrag)
(§ 45 RVG, Nr. 3100 VV-RVG) 245,70 EUR
Anrechnung hälftige Geschäftsgebühr 0,75
(Vor 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV RVG) 141,75 EUR
Somit verbleiben 103,95 EUR
1,2 Terminsgebühr (lt. Antrag)
(§ 45 RVG i.V.m. Nr. 3202 VV RVG) 226,80 EUR
Postentgeltpauschale
(§ 45 RVG i.V.m. Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR
Fahrtkosten
(§ 45 RVG i.V.m. Nr. 7004 VV RVG) 224,00 EUR
Abwesenheitsgeld
(§ 45 RVG i.V.m. Nr. 7005 VV RVG) 60,00 EUR
Umsatzsteuer 19 % v. 410,75 EUR
(§ 45 RVG i.V.m. Nr. 7008 VV RVG) 78,04 EUR
Summe 712,79 EUR
Zur Anrechnung der Geschäftsgebühr verwies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auf ihr Schreiben vom 8. Dezember 2010 und auf den Beschluss des FG Düsseldorf vom 27. November 2009, 10 Ko 862/09 KF. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr sei mit 0,75 vorgenommen worden und entspreche damit der hälftigen Geschäftsgebühr, die der Erinnerungsführer bemessen habe. Sie sei in Höhe der Wahlanwaltsgebührensätze erfolgt.
Mit seiner Erinnerung vom 10. Februar 2011 trägt der Erinnerungsführer vor:
Er wende sich gegen die Herabsetzung der Geschäftsgebühr auf 1,3. Die Erhöhung der 1,3 fachen Regel-Geschäftsgebühr auf eine 1,5 fache Gebühr sei einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Bei Rahmengebühren bestimme allein der Rechtsanwalt die Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände. Der vorliegende Sachverhalt weiche von dem „Regelfall” ab, weil zum einen der Kläger der deutschen Sprache allenfalls begrenzt, ...