Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindeststeuersatz nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG als Verstoß gegen das EG-rechtliche Diskriminierungsverbot
Leitsatz (redaktionell)
Die Besteuerung der im Inland erzielten gewerblichen Einkünfte eines beschränkt steuerpflichtigen EG-Ausländers mit einem den Tarif nach § 32 a Abs. 1 EStG übersteigenden Mindeststeuersatz von 25 v. H. verstößt bei summarischer Prüfung gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung in Art. 43 EG-Vertrag, wenn der Wohnsitzstaat nach dem einschlägigen DBA berechtigt ist, die im Inland erzielten Einkünfte im Wege eines Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 32a Abs. 1, § 50 Abs. 3 Sätze 1-2; EG Art. 43 (früher Art. 52 EGVtr)
Tatbestand
Die Antragstellerin ist "x-ländische" Staatsangehörige mit Wohnsitz in "X". Sie erzielte im Streitjahr in "X" einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 75.676.
Die Antragstellerin ist in der Bundesrepublik Deutschland an der "A-Gesellschaft" bürgerlichen Rechts - GbR - in "Q" beteiligt. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1998 erklärte sie anteilige Einkünfte aus dieser GbR von 33.257 DM.
Der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) führte auf der Grundlage dieser Erklärung die Veranlagung zur Einkommensteuer durch und setzte die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Mindeststeuersatzes gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 Einkommensteuergesetz - EStG - von 25 v.H. auf 8.310 DM fest. Der Solidaritätszuschlag wurde mit 457,05 DM festgesetzt.
Hiergegen hat die Antragstellerin Einspruch erhoben und zur Begründung auf den in den Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2000, 70 veröffentlichten Beschluss des erkennenden Senats vom 12.10.1999, 17 V 4982/99 A (E) verwiesen. Nach Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch das FA begehrt die Antragstellerin nunmehr die Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht. Sie trägt vor, unter Zugrundelegung des Einkommensteuertarifs gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 32 a EStG ergebe sich eine Einkommensteuer von 5.569 DM. Ferner verweist sie darauf, dass ein beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer nach § 39 d EStG für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs in die Steuerklasse I eingereiht werde. Dessen Einkommen werde nach der Grundtabelle besteuert, und zwar ohne Anwendung des § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG und eines Progressionsvorbehaltes nach § 32 b EStG. Hieraus ergebe sich eine Ungleichbehandlung zwischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und anderen Einkünften. Die Einkommensteuer betrage in diesem Vergleichsfall 3.680 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 05.4.2000 verwiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 01.2000 in Höhe einer Einkommensteuer von 4.429,80 DM sowie eines Solidaritätszuschlages von 457,05 DM von der Vollziehung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG - so die Auffassung des FA - finde der Mindeststeuersatz bei zu veranlagenden beschränkt Steuerpflichtigen, also Personen, die weniger als 90 v.H. ihrer Welteinkünfte in Deutschland erzielten, Anwendung, soweit diese andere Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielten. Dieser Mindeststeuersatz werde damit begründet, dass der zu veranlagende beschränkt Steuerpflichtige in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich keinem Progressionsvorbehalt unterliege. Die Erhebung eines Mindeststeuersatzes stelle entsprechend den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - vom 27.06.1996, C-107/94 in der Rechtssache Asscher (Deutsches Steuerrecht - DStR - 1996, 329) für EG-Bürger mit beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit (§ 49 Abs. 1 bis 3 EStG) grundsätzlich eine nach Art. 52 des EG-Vertrages verbotene mittelbare Diskriminierung dar. Diese sei jedoch durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die steuerliche Kohärenz der Steuerregelungen zu gewährleisten. Beschränkt Steuerpflichtige unterlägen nämlich in Deutschland einer Steuerprogression, wenn sie unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG einen Antrag auf Veranlagung nach den Grundsätzen der unbeschränkten Steuerpflicht stellten. In den Fällen, in denen ein Progressionsvorbehalt angewendet werde, finde der Mindeststeuersatz keine Anwendung. Damit bestehe zwischen der Anwendung des Progressionsvorbehalts und der Nichtanwendung des Mindeststeuersatzes ein unmittelbarer Zusammenhang, der zur Wahrung der Kohärenz aufrechtzuerhalten sei.
Das FA gibt zu bedenken, dass für einen Mindeststeuersatz anstelle eines Progressionsvorbehalts verwaltungsökonomische Gründe sprächen und verweist auf die Entscheidung des EuGH vom 14.9.1999, Rs C-391/97 in der Rechtssache Gschwind. Es ist ferner der Auffassung, nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seien die gesamten Einkommensverhältnisse der Antragstellerin zu berücksichtigen. Unter Einbeziehung der niederländischen Einkünfte von umgerechnet 67.351 DM mit dem Progressionsvorbehalt nach § 32 b EStG ergebe sich eine Steuer laut Grundtabelle von 30...