Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer: Freibetrag bei beschränkter Steuerpflicht
Leitsatz (redaktionell)
- Es bestehen ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des § 16 Abs. 2 ErbStG mit dem Unionsrecht, soweit danach bei dem der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegenden Erwerb eines im Inland belegenen Grundstücks von einem im EG-Ausland ansässigen Erblasser für den im EG-Ausland ansässigen Erwerber nur ein Freibetrag von 2.000 Euro abzuziehen ist, während bei einem Erwerb durch Erbanfall ein Freibetrag von 400.000 Euro gewährt würde, wenn der Erblasser oder der Erwerber zur Zeit des Erbfalls seinen Wohnsitz im Inland hätte.
- Bei der Aussetzung der Vollziehung ist von einem Freibetrag von 400.000 Euro auszugehen.
Normenkette
ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 37 Abs. 7 S. 2; BewG § 121 Nr. 2; FGO § 69; EG Art. 56, 58
Tatbestand
Die Antragstellerin und ihre beiden Geschwister haben ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts A vom 01.02.2011 ihren am ......2009 in X (Spanien) verstorbenen Vater zu je 1/3 Anteil beerbt.
Die drei Erben sind deutsche Staatsangehörige und wohnen in Spanien. Auch der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger und wohnte seit Jahren in Spanien. Er war Eigentümer von drei Grundstücken, zwei in A und eines in B belegen.
Die Grundbesitzwerte der Grundstücke wurden von den zuständigen Finanzämtern auf zusammen 1.284.301 € festgestellt. Außerdem war der Erblasser Inhaber von Konten und Depots bei zwei Banken und einer Sparkasse in Deutschland, deren Wert sich nach den eingegangenen Anzeigen zum Todestag auf insgesamt 521.448 € belief.
Da die Antragstellerin trotz besonderer Aufforderungen keine Erbschaftsteuererklärung eingereicht hatte, schätzte der Antragsgegner die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Erbschaftsteuer für den Erwerb der Antragstellerin von Todes wegen nach ihrem Vater mit Bescheid vom 23.11.2011 auf 63.390 € fest. Dabei berücksichtigte er nur die inländischen Grundstücke mit einem Wert von insgesamt 1.284.301 € abzüglich einer Pauschale für Erbfallkosten von 10.300 € und rechnete den drei Erben den Erwerb zu gleichen Teilen zu. Hiervon zog das Finanzamt einen Freibetrag von 2.000 € gemäß § 16 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) ab.
Zur Begründung des gegen den Erbschaftsteuerbescheid eingelegten Einspruchs trug die Antragstellerin vor, eine abschließende Entscheidung sei noch nicht möglich, weil die Verkehrswerte des Grundbesitzes auf den Todestag nicht rechtskräftig ermittelt worden seien und deshalb über den Wert des Erbes noch nicht befunden werden könne.
Zudem stehe ihr ein Freibetrag von 400.000 € zu. Die Ungleichbehandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen verstoße gegen die Grundfreiheiten. Insoweit werde auf das EuGH-Urteil vom 22.04.2010, C-510/08, verwiesen.
Über den Einspruch hat der Antragsgegner noch nicht entschieden, der Antragstellerin aber mitgeteilt, dass er die Einspruchsbegründung als Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG ansehe und dass der Erbfall insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werde, wobei sich die unbeschränkte Steuerpflicht auf sämtliches inländisches und ausländisches Vermögen erstrecke.
Die am 19.03.2012 beantragte Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids lehnte der Antragsgegner am 21.03.2012 ab.
Mit ihrem am 26.03.2012 beim Finanzgericht eingegangenen Antrag verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter, wobei sie sich allerdings nur noch gegen die Nichtgewährung des Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG wendet.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids des Antragsgegners vom 23.11.2009 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen,
hilfsweise eine Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.
Dazu führt er aus: Die Antragstellerin habe immer noch keine Erbschaftsteuererklärung eingereicht.
Die unterschiedliche Steuerbelastung von gebietsansässigen und nicht gebietsansässigen Personen hinsichtlich des persönlichen Freibetrags von 400.000 € sei mit § 2 Abs. 3 ErbStG unionsrechtskonform geregelt.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem EuGH-Urteil vom 22.04.2010, C-510/08. Dieses Urteil betreffe nur einen Erwerb durch Schenkung und beziehe sich somit auf nur einen Vermögensgegenstand. Beim hier zu beurteilenden Erwerb von Todes wegen mit Nachlassvermögen in mehr als einem Staat lägen ganz andere Umstände vor.
Hier lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 ErbStG vor, so dass die Antragstellerin eine etwaige Ungleichbehandlung durch die Möglichkeit, zur unbeschränkten Steuerpflicht zu optieren, vermeiden könne. Ob das Schreiben ihres Vertreters vom 09.02.2012 als Antrag auf Option zur unbeschränkten Steuerpflicht ausgelegt werden könne, sei noch offen.
Dies sei aber für dieses Verfahren bedeutungslos: Auf keinen Fall könne der Antragstellerin ein Freibetrag von 400.000 € bei beschränkter Steuerpflicht zustehen. Dies stelle...