Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeiner Wert der Anteile an Familien-Holding – Ableitung aus Verkäufen unter fremden Dritten – Zuordnung zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei Verfügungsbeschränkung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 49/22)
Leitsatz (redaktionell)
- Verkäufe unter fremden Dritten, die nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG als Maßstab für die Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften herangezogen werden können, liegen vor, wenn die Beteiligten keine Angehörigen im Sinne des § 15 Abs. 1 AO sind.
- Die für Anteile an einer Familien-Holding bestehende gesellschaftsvertragliche Verfügungsbeschränkung zugunsten der Familienangehörigen steht der Zuordnung derartiger Verkäufe zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr nur entgegen, wenn die Verkäufe der Anteile zum Nennwert erfolgen und der Verkaufspreis nicht annähernd den inneren Wert der Anteile widerspiegelt.
- Die Übernahme eines von der Holding auf der Grundlage einer betriebswirtschaftlich anerkannten Bewertungsmethode (sog. Net Asset Value-Verfahren) anhand von 63 Verkaufsfällen binnen Jahresfrist ermittelten Verkaufswertes ist dabei unschädlich, wenn dieser Wert nicht verbindlich als Verkaufspreis vorgegeben wird.
- Die Berücksichtigung eines Holdingabschlages von 20 % wegen Holdingkosten, nicht in der Nettofinanzverschuldung berücksichtigter finanzieller Verpflichtungen sowie der geringeren Handelbarkeit der Anteile an der Holdinggesellschaft ist angemessen.
- Der Substanzwert kann nicht als Mindestwert für einen aus Verkäufen im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG abgeleiteten gemeinen Wert herangezogen werden.
Normenkette
BewG § 9 Abs. 2 Sätze 1, 3, Abs. 3 S. 1, § 11 Abs. 2, § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; AO § 15 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von…€. Gegenstand ihres Unternehmens war es, die von der Familie B seit dem Jahr…von Z-Stadt aus im In- und Ausland betriebenen Unternehmen…fortzuführen.
Gesellschafter der Klägerin waren im Jahr 2009 etwa…natürliche Personen, die überwiegend Abkömmlinge der… C (...) und D (...) der Familie B …waren. Diese Personen waren teilweise über Holdinggesellschaften mittelbar an der Klägerin beteiligt waren.
§ 4 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin in der Fassung vom 26. April 2008 sah unter anderem folgende Regelungen vor:
„1. Die Gesellschafter sind verpflichtet, über Geschäftsanteile oder Teile von Geschäftsanteilen ausschließlich zugunsten der in Abs. 2 genannten Berechtigten zu verfügen. Jede Verfügung über Geschäftsanteile oder Teile von Geschäftsanteilen durch Abtretung, Nießbrauchbestellung oder Verpfändung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung eines Gesellschafters, der von der Gesellschafterversammlung jeweils für die Zeit bis zur nächsten ordentlichen Gesellschafterversammlung bestimmt wird ('beauftragter Gesellschafter')...
2. Die Zustimmung zu den in Absatz 1 genannten Verfügungen darf nur erteilt werden, wenn und soweit diese erfolgen zugunsten von
a) B -Abkömmlingen und diesen gleichgestellten Personen
(1) B -Abkömmlinge sind die leiblichen Abkömmlinge der C (...) und D (...) B ,
(2) B -Abkömmlinge gleichgestellte Personen sind:
- Adoptivkinder von B -Abkömmlingen und deren leibliche Abkömmlinge,
- Personen, die ohne B -Abkömmlinge oder diesen aus anderen Gründen gleichgestellt zu sein, am 25. Juni 1988 Gesellschafter waren, und deren leibliche Abkömmlinge,
- Personen, die als Erben einschließlich Nacherben der am 00 . Mai 1968 verstorbenen Frau E Gesellschafter geworden sind, und deren leibliche Abkömmlinge,
b) Ehegatten sowie überlebenden nicht wiederverheirateten Ehegatten von B -Abkömmlingen und diesen gleichgestellten Personen,
c) Gesellschaften, deren Anteile unmittelbar oder mittelbar vollständig von B -Abkömmlingen und/oder diesen gleichgestellten Personen sowie in beiden Fällen außerdem von der B ...gesellschaft oder von dieser alleine gehalten werden...,
d) Familien-Stiftungen mit statutarischer überwiegender Bezugsberechtigung von B -Abkömmlingen und/oder diesen gleichgestellten Personen,
e) sonstigen Erwerbern, einschließlich einer von der Gesellschaft errichteten Stiftung, sofern sämtliche Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat nach vorheriger Beratung im Beirat die Verfügung im besonderen Einzelfall befürwortet haben.
3. Die Gesellschafterversammlung kann... Richtlinien beschließen, ändern und aufheben, nach denen die Zustimmung zu erteilen oder zu versagen ist. Die zustimmungsbedürftige Verfügung wird erst mit Zugang der Zustimmungserklärung bei dem einen oder anderen Vertragspartner des Verfügungsgeschäfts wirksam.”
Nach VI. der von der Gesellschafterversammlung im Juni 2000 beschlossenen Richtlinien für die Wahrnehmung der Aufgaben des beauftragten Gesellschafters bei Verfügungen über Geschäftsanteile (Richtlinien) war für Verkäufe von Geschäftsanteilen grundsätzlich der von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin „ermittelte gemeine Wert im Sinne des § 11 des Bewertungsgesetzes (BewG)” maßgebend. D...