Entscheidungsstichwort (Thema)
Antidumpingzoll: Verzinsung unionsrechtswidrig erhobener Abgaben infolge der Nichtigkeit von Legislativunrecht der EU – Verzinsung von Zinsansprüchen ab Rechtshängigkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Im Fall der Erstattung von – wegen der Nichtigkeit der zu Grunde liegenden EU-Verordnung - unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Antidumpingzöllen besteht ab deren Entrichtung ein unionsrechtlicher Anspruch auf die Festsetzung von Zinsen nach Maßgabe des Zinssatzes und der Berechnungsmethode des § 238 AO (EuGH-Urteil v. 18. Januar 2017 C-365/15).
- Es kommt nicht darauf an, ob der jeweilige Mitgliedstaat, der mit dem entrichteten Antidumpingzoll Eigenmittel der Union abgeführt hat, Zinsen auf die von ihm in Erfüllung unionsrechtlicher Pflichten zurückzuzahlenden Eigenmittel verlangen kann (EuGH-Urteil v. 27. September 2012, C-113, 147 und 234/10).
- Ein Anspruch auf Verzinsung von Zinsansprüchen wegen der Rückgewähr unionsrechtswidrig erhobener Abgaben ab Rechtshängigkeit besteht nach § 233 Satz 2 AO nicht.
Normenkette
AO § 1 Abs. 1, 3, § 3 Abs. 3-4, § 233 Sätze 1-2, § 238; FGO § 100 Abs. 4; ZK Art. 4 Nr. 10, Art. 241 S. 1; UZK Art. 112
Nachgehend
Tatbestand
Der Klägerin war ein Zolllager bewilligt worden. Von 2006 bis 2012 überführte sie im eigenen Namen dort eingelagerte Waren ihrer Tochterunternehmen in den zollrechtlich freien Verkehr. Hierbei handelte es sich um Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und in Vietnam des Lieferanten A Ltd. (im Folgenden: A) und des Herstellers B Ltd. (im Folgenden: B). Der Beklagte setzte nach der Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 (VO Nr. 1472/2006) des Rates vom 5. Oktober 2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam (ABl. EU Nr. L 275/1) Antidumpingzoll gegen die Klägerin fest.
Die Klägerin beantragte am 22. Juli 2010 beim Beklagten, die festgesetzten Antidumpingzölle für den Zeitraum von Juni 2007 bis Juni 2010 zu erstatten. Am 14. Februar 2011 beantragte sie, die bis zum 31. Dezember 2010 gezahlten Antidumpingzölle zu erstatten. Am 7. Mai 2012 beantragte sie, die seit 2006 gezahlten Antidumpingzölle zu erstatten. Zur Begründung verwies sie auf die seit Ende des Jahres 2006 zunächst beim Gericht der Europäischen Union, später beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) anhängigen Verfahren in den Rechtssachen C-247/10 P und C-249/10 P.
Der EuGH erklärte mit Urteil vom 2. Februar 2012 in der Rechtssache C-249/10 P die VO Nr. 1472/2006 für nichtig, soweit sie unter anderem die Unternehmen A und B betraf.
Der Beklagte erstattete daraufhin mit Bescheiden vom 17. April 2013 Antidumpingzölle von 61.895,49 €, die vom 22.07. bis zum 31.12.2007 entstanden waren, sowie Antidumpingzölle von 92.870,62 €, die 2008 entstanden waren.
Am 29. November 2013 beantragte die Klägerin die Festsetzung von Zinsen auf den jeweiligen Erstattungsbetrag in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Antidumpingzölle. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 15. Januar 2014 ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin fristgerecht Klage.
Auf Vorlage des Senats (Beschluss vom 24. Juni 2015) hat der EuGH mit Urteil vom 18. Januar 2017 C-365/15 entschieden:
Werden Einfuhrabgaben, zu denen Antidumpingzölle gehören, deshalb erstattet, weil sie unter Verstoß gegen Unionsrecht erhoben wurden, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, besteht eine unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten, Rechtssuchenden, die einen Anspruch auf die Erstattung der entrichteten Beträge haben, diese ab dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung zu verzinsen.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin danach vor, das EuGH-Urteil vom 18. Januar 2017 sei eindeutig. Art. 241 der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK) sei auf Einfuhrabgaben, die wie hier gegen Unionsrecht verstießen, nicht anzuwenden. Vielmehr seien ihr die erstatteten Beträge seit dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung zu verzinsen. Zudem sei die hier geltend gemachte Zinsforderung als nunmehr geltend gemachte Hauptforderung zu verzinsen.
Rechtsgrundlage der Zinsen sei der vom EuGH entwickelte unionsrechtliche Grundsatz, dass nicht nur die unter Verstoß gegen Unionsrecht erhobenen Abgaben zu erstatten seien, sondern auch die darauf entfallenden Zinsen.
Der Beklagte sei nach dem EuGH-Urteil vom 18.01.2017, C-365/15, Tz. 38 zur Zahlung der Zinsen verpflichtet. Ob und in welchem Umfang die Zinsen dem Mitgliedstaat zu erstatten seien, betreffe nur das Verhältnis der jeweiligen Mitgliedstaaten zur EU.
Auf eine Abwälzung des Antidumpingzolls komme es nicht an, da der EuGH den diesbezüglichen Vortrag der Kommission unberücksichtigt gelassen und ausgeführt habe, dass eine unionsrechtliche Pflicht der...