Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriterien zur steuerlichen Einordnung von Fahrtkosten im Zusammenhang mit Auswärtstätigkeiten
Leitsatz (redaktionell)
Angestellte Kraftfahrer eines Transport- und Kurierdienstunternehmens, die regelmäßig mit ihrem eigenen PKW von ihrer Wohnung zu den Firmensitzen der jeweiligen Auftraggeber ihres Arbeitgebers fahren und dort die Fahrzeuge der Auftraggeber übernehmen sowie nach Erledigung des Auftrags wieder abstellen, begründen an diesen nicht dem Arbeitgeber zuzurechnenden Firmensitzen keine regelmäßige Arbeitsstätte und können daher für die Wege zwischen der Wohnung und den wechselnden Einsatzorten die tatsächlichen Fahrtkosten als Werbungskosten abziehen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 4 S. 2
Streitjahr(e)
2006
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Einordnung von Fahrtkosten.
Die Kläger wurden im Streitjahr 2006 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten als angestellte Kraftfahrer eines Transport- und Kurierdienstunternehmens Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Im Jahr 2006 unternahmen die Kläger – unstreitig – folgende Fahrten von ihrer Wohnung zu den nachfolgend aufgeführten Einsatzorten:
Entfernung von der Wohnung |
Anzahl der Fahrten des Klägers |
Anzahl der Fahrten der Klägerin |
28 km |
49 |
- |
10 km |
71 |
- |
30 km |
49 |
- |
19 km |
33 |
56 |
64 km |
24 |
170 |
Gesamt |
226 |
226 |
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 machten die Kläger die Fahrten von ihrer Wohnung zu den Ausgangsorten nach Dienstreisegrundsätzen, d.h. mit 0,60 EUR je Entfernungskilometer, geltend. Sie berechneten Werbungskosten i.H.v. 3.429,- EUR (Kläger) bzw. 7.166,- EUR (Klägerin). Der Beklagte berücksichtigte die Fahrten im Einkommensteuerbescheid vom 13. Juli 2007 lediglich als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 0,30 EUR je Entfernungskilometer, so dass sich Werbungskosten i.H.v. 1.715,- EUR bzw. 3.583,- EUR ergaben.
Den Einspruch der Kläger vom 19. Juli 2007 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 11. Mai 2005 (VI R 25/04, BFHE 209, 515, BStBl II 2005, 788 ) jede dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Ob ein Arbeitnehmer eine regelmäßige Arbeitsstätte innehat, richte sich nicht danach, welche Tätigkeit er an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen wahrnimmt. Entscheidend sei, ob ein Arbeitnehmer den Betriebssitz des Arbeitgebers oder sonstige ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtungen, denen er zugeordnet ist, nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufsucht. Hieraus folge, dass auch ein Arbeitnehmer mit ständig wechselnden Tätigkeitsstätten, der den Betrieb des Arbeitgebers mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder anfährt, um von dort in ein Firmenfahrzeug umzusteigen und weiter zur Einsatzstelle zu fahren, im Betrieb des Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte begründet, wobei es sich durchaus um mehrere regelmäßige Arbeitsstätten handeln kann. Im Gegensatz dazu handele es sich bei Dienstreisen um vorübergehende Auswärtstätigkeiten außerhalb der regelmäßigen Arbeitsstätte. Insofern seien die verschiedenen Einsatzorte der Kläger als mehrere regelmäßige Arbeitsstätten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen.
Die Kläger haben am 26. November 2007 Klage erhoben, mit der sie die Berücksichtigung der Fahrten nach Dienstreisegrundsätzen begehren. Sie sind der Auffassung, im Streitjahr weder bei ihrem Arbeitgeber noch an den verschiedenen Einsatzorten regelmäßige Arbeitsstätten begründet zu haben, vielmehr sei von einer Auswärtstätigkeit auszugehen. Zur Art und Weise ihrer Tätigkeit als Kurierdienstfahrer tragen sie ergänzend wie folgt vor: Morgens führen sie mit ihren eigenen PKW von ihrer Wohnung zum Firmensitz des jeweiligen Auftraggebers ihres Arbeitgebers und übernähmen dort die Fahrzeuge der Auftraggeber, in der Regel Kleinlastwagen, im beladenen Zustand; Fahrzeuge ihres Arbeitgebers würden nicht genutzt. Anschließend werde die Fracht (z.B. Güter, Paketsendungen) zum jeweiligen Kunden des Auftraggebers ausgeliefert. Nach Belieferung des letzten Kunden werde der übernommene Wagen wieder an den Firmensitz des Auftraggebers zurückgebracht. Von dort aus träten sie wieder mit ihren eigenen PKW die Fahrt zu ihrer Wohnung an. Zum Nachweis haben die Kläger Arbeitgeber-Bescheinigungen eingereicht (Blatt 54 und 55 der Gerichtsakte).
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 13. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2007 dahingehend zu abändern, dass zusätzliche Fahrtkosten des Klägers i.H.v. 1.715,- EUR und der Klägerin i.H.v. 3.583,- EUR als Werbungskosten bei deren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werd...