Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umsatzsteuerbefreiung für Grundpflegeleistungen der ambulanten Krankenpflege für Veranlagungszeiträume vor 1992
Leitsatz (redaktionell)
- Die Umsatzsteuerbefreiung von Grundpflegeleistungen der ambulanten Pflegedienste für Veranlagungszeiträume vor 1992 ist nicht durch sachliche Billigkeitsgründe geboten, da sie nicht dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers entspricht.
- Auf Vertrauensschutz bzgl. der Rechtsanwendung durch die Finanzverwaltung kann sich der Steuerpflichtige nur bei Erteilung einer verbindlichen Zusage oder Auskunft berufen.
- Auch die Begünstigung von Mitbewerbern durch eine frühere rechtswidrige Verwaltungspraxis vermag eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nicht zu rechtfertigen.
Normenkette
AO § 163; UStG § 4 Nr. 14; UStG 1992 § 4 Nr. 16 Buchst. e; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger betrieb in den Streitjahren 1987 bis 1991 einen ambulanten Krankenpflegedienst. Hierzu unterhielt er in den Streitjahren 1987 bis 1991 einen umfangreichen Mitarbeiterstab von ca. 30 Personen, bei denen es sich ganz überwiegend um examinierte Kranken- und Altenpfleger/-innen bzw. Krankenpflegehelfer/-innen handelte. Die im Rahmen seines Unternehmens erbrachten Umsätze behandelte der Kläger in vollem Umfang als steuerfrei gemäß § 4 Nr.14 Umsatzsteuergesetz - UStG -.
Zum Teil vor einer Außenprüfung (nämlich hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 1987 und 1988) und im übrigen danach ergingen gegen den Kläger teils geänderte und teils erstmalige Umsatzsteuerbescheide, in denen dessen Umsätze in voller Höhe als steuerpflichtig erfaßt und die Vorsteuern ebenfalls voll berücksichtigt wurde.
Während eines gegen diese Umsatzsteuerfestsetzungen 1987 bis 1991 gerichteten Klageverfahrens änderte das Finanzamt die angefochtenen Bescheide teilweise zugunsten des Klägers ab und beließ die als „Behandlungspflege” einzuordnenden Leistungen des Klägers, die nach einer Übereinkunft der Beteiligten in den Streitjahren 80,55 % der gesamten Umsätze des Klägers ausgemacht hatten, als steuerfrei. Die übrigen Umsätze, die übereinstimmend der sogenannten „Grundpflege” bzw. der „hauswirtschaftlichen Versorgung” zugeordnet wurden, behandelte das beklagte Finanzamt in den Änderungsbescheiden vom 20.8.1996 weiterhin als steuerpflichtig. Die gegen diese Änderungsbescheide vom Kläger fortgeführte Anfechtungsklage 5 K 5960/94 U, durch die er eine Steuerbefreiung sämtlicher in den Streitjahren getätigten Umsätze gemäß § 4 Nr.14 UStG erreichen wollte, wurde nach mündlicher Verhandlung durch rechtskräftiges Senatsurteil vom 23.2.2000 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH in seinem Beschluß V B 124/93 vom 16.12.1993 (BFH/NV 1995, 652) als unbegründet abgewiesen. Auf die Urteilsgründe wird im Folgenden Bezug genommen.
Parallel zu der Anfechtung der Umsatzsteuerfestsetzungen 1987 bis 1991 im Klageverfahren 5 K 5960/94 U beantragte der Kläger hinsichtlich der nach dem Erlaß der Änderungsbescheide vom 20.8.1996 verbleibenden Umsatzsteuerbeträge durch Schreiben vom 9.6.1996 eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung - AO -. Er begründete seinen Antrag dahingehend, daß in dem streitbefangenen Zeitraum bis Ende 1991 weder der Kläger, noch das Finanzamt damit gerechnet habe bzw. überhaupt damit habe rechnen können, daß die streitigen Umsätze als umsatzsteuerpflichtig gewertet werden könnten. Im Nachhinein sei es dem Kläger nicht mehr möglich, aus der geänderten Rechtsauffassung des Finanzamts seinerseits Konsequenzen zu ziehen und die Umsatzsteuer den Kostenträgern der von seinem Unternehmen erbrachten Leistungen in Rechnung zu stellen.
Der Antrag auf abweichende Festsetzung der Steuern aus Billigkeitsgründen wurde durch Bescheid vom 17.1.1997 abgelehnt. Der Einspruch des Klägers gegen diesen Ablehnungsbescheid hatte keinen Erfolg.
In seiner Klagebegründung weist der Kläger erneut darauf hin, daß beide Beteiligten bis Ende 1991 von einer Steuerfreiheit der vom Kläger getätigten Umsätze ausgegangen seien. Alle anderen privaten Krankenpflegedienste hätten ausnahmslos ebenfalls ihre Leistungen ohne Berechnung der Umsatzsteuer abgerechnet, ohne daß es von Seiten der Finanzverwaltung zu Beanstandungen gekommen wäre. Von dieser Verwaltungspraxis seien die Finanzbehörden erst abgerückt im Anschluß an die Veröffentlichung einer Verfügung der OFD Hamburg vom 10.10.1988 im Jahr 1990 (Az.: S 7172 - 2/88 - St 23, UR 1990, 197). Der Kläger macht desweiteren geltend, daß der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1992 die Umsätze der privaten Krankenpflegedienste - zu denen auch das Unternehmen des Klägers zählt - ausdrücklich durch die Einfügung des § 4 Nr.16 e) UStG von der Umsatzsteuer befreit habe. Hierbei sei dem Gesetzgeber die Relevanz und Tragweite und ein entsprechender Regelungsbedarf auch für die Zeit vor In-Kraft-Treten des § 4 Nr.16 e) UStG lediglich nicht bewußt gewesen.
Der Kläger trägt desweiteren vor, daß eine Umsatzbesteuerung der von seinem Unternehmen erbrachte...