Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfteerzielungsabsicht bei ungeklärter Erbfolge bemisst sich am Willen des eingesetzten Nachlasspflegers

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei ungeklärter Erbenstellung kommt es für die Beantwortung der Frage, ob endgültig beabsichtigt war, ein von dem Erblasser zuvor selbst bewohntes Grundstück durch Vermietung zu nutzen und deshalb die angefallenen Grundstücksaufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten abgezogen werden können, auf die Absichten des Nachlasspflegers und nicht auf die Absichten desjenigen an, der sich im Nachhinein als tatsächlicher Erbe erweist.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1994, 1995, 1996, 1997, 1998, 1999, 2000

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.05.2008; Aktenzeichen IX R 46/06)

BFH (Urteil vom 29.05.2008; Aktenzeichen IX R 46/06)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob in den Streitjahren 1994 bis 2000 angefallene Aufwendungen – im Wesentlichen AfA, Schuldzinsen, Grundbesitzabgaben und Versicherungsbeiträge – als Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sind.

Die Kläger sind zu gleichen Teilen Erben nach der am 13.02.1994 verstorbenen Frau C. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus dem Grundbesitz M-Straße in N-Stadt. Auf dem 4000 m² großen Grundstück befindet sich ein Einfamilienhaus, welches bis zu ihrem Tode von der Erblasserin bewohnt wurde. Außerdem befindet sich auf dem Grundstück ein sog. „Torhaus” mit Garagen und anderen Räumen.

Am 16.02.1993 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, mit dem sie die Kläger als alleinige Erben zu gleichen Teilen einsetzte. Des weiteren existiert ein privatschriftliches Testament vom 05. oder 06.08.1993, mit dem die Erblasserin unter Widerruf früherer Testamente Herrn J., der gemeinsam mit seiner Mutter im Haus der Erblasserin lebte, zum Alleinerben einsetzte. Nach dem Tod der Erblasserin kam es zu Auseinandersetzungen über die Echtheit und Wirksamkeit des privatschriftlichen Testamentes vom 05./06.08.1993. Sowohl die Kläger als auch Herr J. beantragten beim AG L-Stadt die Erteilung eines sie bzw. ihn als Erben ausweisenden Erbscheins.

Wegen der ungeklärten Erbfolge setzte das AG L-Stadt die Rechtsanwältin M. als Nachlasspflegerin ein. In Abstimmung mit den Klägern duldete sie zunächst die - unentgeltliche - Fortdauer der Nutzung des Grundbesitzes durch Herrn J. und dessen Mutter. Maßgebend hierfür waren zum einen die mögliche Erbenstellung des Herrn J. und zum anderen der Umstand, dass das Objekt im Hinblick auf die umfangreiche Wohnungseinrichtung und die vorhandenen Kunstgegenstände nicht leer stehen sollte. Nachdem Ende 1996 nahezu alle Kunstgegenstände aus dem Objekt entfernt worden waren, erhob die Nachlasspflegerin am 27.01.1997 Räumungsklage gegen Herrn J. und seine Mutter, die das Landgericht F-Stadt jedoch mit Urteil vom 30.06.1998 im Berufungsverfahren abwies.

In ihrem Antrittsbericht vom 18.11.1994 führte die Nachlasspflegerin aus, der Wert des Grundbesitzes bestehe im Wesentlichen in dem Verkehrswert des Grund und Bodens von ca. 2.400.000.- DM, da die Gebäude ca. 40 Jahre alt seien und ein Reparaturstau bestehe. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei davon auszugehen, dass die Gebäude abgerissen und durch eine Neubebauung ersetzt werden würden. Ob der Bestand erhalten werde oder eine Neubebauung erfolge, liege aber in der freien Entscheidung der künftigen Erben. Mit Schreiben an das AG L-Stadt vom 17.08.1998 teilte die Nachlasspflegerin jedoch mit, sie beabsichtige nunmehr eine Veräußerung des Grundbesitzes, da hieraus keine Einnahmen erzielt würden, aber die laufenden Kosten – insbesondere die von Jahr zu Jahr steigenden Zinsaufwendungen - aus dem Nachlass zu bestreiten seien. Wann ein Erbschein erteilt werde, sei völlig ungewiss. Mit Schreiben vom 11.05.1999 bat sie das AG L-Stadt erneut um Stellungnahme zu der beabsichtigten Veräußerung. Da sich jedoch sowohl die Kläger als auch Herr J. gegen eine Veräußerung aussprachen, unterblieb diese.

Im Erbscheinsverfahren hatte das AG L-Stadt nach umfangreicher Beweisaufnahme mit Beschluss vom 05.06.1997 angekündigt, den Klägern den beantragten Erbschein zu erteilen. Nachdem das LG F-Stadt die hiergegen gerichtete Beschwerde des Herrn J. mit Beschluss vom 18.10.1999 zurückgewiesen hatte, erteilte das AG L-Stadt den angekündigten Erbschein mit Beschluss vom 26.11.1999 und lehnte den Erbscheinsantrag des Herrn J. gleichzeitig ab. Daraufhin händigte die Nachlasspflegerin den Nachlass am 27.12.1999 an die Kläger aus. Auf die weitere Beschwerde des Herrn J. hob das OLG F-Stadt den Beschluss des LG F-Stadt vom 18.10.1999 am 29.03.2000 auf und verwies die Sache an das LG zurück. Daraufhin mussten die Kläger den ihnen bereits erteilten Erbschein vorübergehend an das AG L-Stadt zurückgeben. Das LG F-Stadt bestätigte seine bisherige Entscheidung mit Beschluss vom 16.05.2001. Die weitere Beschwerde des Herrn J. wies das OLG F-Stadt mit Beschluss vom 01.07.2002 zur...

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