rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen gewerblicher und künstlerischer Tätigkeit bei Arbeiten eines Graphikdesigners
Leitsatz (redaktionell)
Die von einem Graphiker im Kundenauftrag zu Werbe- und sonstigen Gebrauchszwecken erstellten Arbeiten erreichen nicht die für eine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erforderliche künstlerische Gestaltungshöhe, wenn sie zwar von einer besonderen Kreativität und hohen technischen Fähigkeiten zeugen, ihnen indessen aufgrund der Vorgaben des Auftraggebers, den Werbegegenstand als Abbild der Wirklichkeit darzustellen, der erforderliche Abstraktionsgrad fehlt, so dass sie losgelöst vom (Werbe-)Produkt mangels eigenschöpferischer Aussage keinen eigenen Bestand als Kunstwerk haben.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1; GewStG § 2 Abs. 1
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997, 1998
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, soweit er in den Streitjahren für Kunden zu Werbezwecken gestalterisch tätig geworden ist, als Freiberufler (Künstler) i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - angesehen werden kann oder ob die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte der Gewerbesteuer unterliegen.
Der Kläger schloss im Jahr 1962 seine Ausbildung zum Gebrauchs- und freien Graphiker an der Werkkunstschule in E-Stadt ab. Seitdem ist er unter dem Namen „ L... C... Werbung” selbstständig als Graphikdesigner tätig. Die Kunden des Klägers beauftragen ihn mit dem Entwurf graphischer Darstellungen zu Werbezwecken. Sie geben ihm die Art des darzustellenden Objektes bzw. Produktes vor, nennen den Verwendungszweck des herzustellenden Werkes und äußern ihre Vorstellungen über das zu verwendende Medium. Dabei kann es sich um Filme, Anzeigen, Plakate, Prospekte, Plastiken oder auch Gesamtkonzepte wie Messestände oder Ausstellungen handeln. Die anschließende Gestaltung bleibt dem Kläger überlassen. Der Kläger erstellt in der Regel jeweils drei bis vier Entwürfe, aus denen der Kunde einen bestimmten auswählt, der sodann vom Kläger weiter bearbeitet wird. Bei einem Teil der Aufträge endet damit die Tätigkeit des Klägers. Bei den übrigen Arbeiten übernimmt der Kläger aufgrund gesonderten Auftrages zusätzlich die Verantwortung für die Umsetzung seiner graphischen Gestaltung durch Beauftragung des für die Veröffentlichung und Vervielfältigung vorgesehenen Mediums (z.B. Zeitung, Druckerei); in diesen Fällen erzielt der Kläger Anzeigen- oder Provisionserlöse.
In den Steuererklärungen ordnete der Kläger die Entwurfsarbeit als künstlerische Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und die Umsetzung der Entwürfe als gewerbliche Tätigkeit ein. Der Beklagte folgte dieser Einordnung zunächst und erfasste daher mit den Gewerbesteuermessbescheiden lediglich letztgenannte Gewinne.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Streitjahre (Bp-Bericht von 28.03.2000) vertrat der Prüfer die Auffassung, im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.02.1998 IV R 50/96, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1998, 441) seien sämtliche Einkünfte des Klägers als solche aus Gewerbebetrieb anzusehen. Die Erstellung der Layouts (Grafiken, Fotografien) dienten den individuellen (Werbe-)Interessen der Kunden. Die Layouts, die eine gestaltete Wirklichkeit wiedergäben und Werbecharakter aufwiesen, hätten den Zweck, über ein Produkt zu informieren und einen Kaufanreiz zu schaffen.
Die gegen die entsprechend erlassenen Änderungsbescheide (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO -) gerichteten Einsprüche wies der Beklagte als unbegründet zurück. Er bezog sich in der Einspruchsentscheidung auf den Bp-Bericht und ergänzte, die Tätigkeit des Klägers erreiche nicht die von der Rechtsprechung geforderte „künstlerische Gestaltungshöhe”. Der Kläger arbeite häufig für Sanitäreinrichtungsunternehmen, von denen er Vorgaben für die „Inszenierung” erhalte; der Kläger selbst steuere dann lediglich noch „eine abstrakte Figur oder eine lebende Person zur Ausschmückung” bei.
Hiergegen richtet sich die Klage, die der Kläger im Wesentlichen wie folgt begründet:
Seine Tätigkeit sei insgesamt als künstlerisch einzuordnen. Entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung an eine künstlerische Tätigkeit vollbringe er eine eigenschöpferische Leistung, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck komme und die über eine gewisse Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreiche. Er sei eigenschöpferisch tätig, indem er aus dem Produkt des Kunden und dessen nur vagen Vorstellungen eine kreative Idee entwickele und umsetze. Er bringe das Produkt losgelöst von seinen Eigenschaften in einen neuen und ungewöhnlichen Zusammenhang, verbinde es mit dem Abstrakten und Außergewöhnlichen und verfremde es. Auf diese Weise wecke er das Interesse des Betrachters, rufe bei ihm Assoziationen hervor und trete mit ihm in eine Kommunikation. Gerade darin liege auch der Wunsch der Kunden; Vorgaben erhalte er lediglich hinsichtlich des Produktes und allenfalls hinsichtlich des bevorzug...