rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 1 Abs. 3 EStG verstößt nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Die Besteuerung des inländischen Arbeitslohns eines verheirateten Grenzpendlers unter Anwendung der Grundtabelle (hier: Steuerklasse I bei Lohnsteuer-Nachforderung) verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot des EG-Vertrages, wenn er 54% seines Welteinkommens aus nicht der inländischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünften bezieht und deshalb sein Familienstand bei der Besteuerung im Wohnsitzstaat Berücksichtigung finden kann.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, § 1a Abs. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 5a, § 50 Abs. 5 Sätze 1, 4 Nr. 1
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Lohnsteuernachforderungsbescheid im Hinblick darauf rechtswidrig ist, dass die Regelung des § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt.
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger; er ist mit einer Französin verheiratet. Die Eheleute haben drei Kinder. Der Kläger ist als nichtselbstständiger Arzt tätig; seine Ehefrau ist nicht berufstätig. Im Streitjahr war der Kläger, zunächst wohnhaft in Belgien, bis zum 30.04.2000 in einem Krankenhaus im Inland angestellt; seitdem arbeitet er in Frankreich, wo er mit seiner Familie seit Sommer 2000 auch wohnt.
Auf Antrag erteilte der Beklagte dem Kläger am 21.03.2000 eine Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug 2000 bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 39 c Abs. 4 i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG. Als Besteuerungsmerkmal wurde u.a. die Steuerklasse III vermerkt; die Lohnversteuerung für den Zeitraum Januar bis April 2000 wurde entsprechend durchgeführt.
In der am 27.04.2001 eingereichten Einkommensteuererklärung 2000 nebst „Bescheinigung EU/EWR” gab der Kläger an, im Zeitraum 01.01. bis 30.04. des Streitjahres 32.187,13 DM inländische Einnahmen (abzgl. verschiedener Werbungskosten) und 196.959 FF ausländische Einnahmen (abzgl. Werbungskosten 70.676 FF; d.s. Einkünfte 126.283 FF, umgerechnet x 3,3538549: 37.653,09 DM) erzielt zu haben.
Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die beantragte Einkommensteuerveranlagung nicht erfolgen könne, da die gesetzlichen Voraussetzungen für eine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1 a Abs. 1 Nr. 2 EStG (mindestens 90 % inländische Einkünfte bzw. nicht mehr als 24.000 DM Auslandseinkünfte) nicht vorlägen. Der Kläger habe die Möglichkeit, eine Veranlagung nach § 50 Abs. 5 Nr. 2 EStG zu beantragen, bei der die Steuer nach der Grundtabelle ermittelt werde; andernfalls werde die zu gering erhobene Steuer im Rahmen eines Nachforderungsbescheides festgesetzt.
Mangels Antrags des Klägers auf Durchführung einer Veranlagung erließ der Beklagte am 17.04.2002 einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag für den Zeitraum Januar bis April 2000 über insges. 1.693,69 €. Bei der Berechnung des Nachforderungsbetrages legte der Beklagte die Steuerklasse I zugrunde und minderte die inländischen Einnahmen um Werbungskosten in der seiner Ansicht nach anzuerkennenden Höhe von 922 DM abzügl. 4/12 des Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 2.000 DM, der in die Lohnsteuertabelle eingearbeitet sei, aber einem beschränkt Steuerpflichtigen nicht zustehe.
Der Kläger legte gegen den Nachforderungsbescheid Einspruch ein. Der Bescheid sei rechtswidrig, da er seiner Anzeigepflicht nach § 39 Abs. 5 a EStG nachgekommen sei. Zudem verstoße der Bescheid gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Denn wenn für bestimmte Gebietsfremde ein höherer Einkommensteuersatz angewandt werde als für Gebietsansässige, liege darin eine verbotene mittelbare Diskriminierung; das folge bereits aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 05.02.2001 I B 140/00, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2001, 598.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück; der Nachforderungsbescheid sei rechtmäßig. Eine Anzeigepflicht des Klägers gem. § 39 Abs. 5 a EStG habe hier nicht bestanden, da ihm seit Jahren keine Lohnsteuerkarte mehr ausgestellt worden sei; die Vorschrift sei aber ohnehin nicht Grundlage der Nachforderung. Der vom Kläger angeführte Beschluss des BFH vom 05.02.2001 sei nicht einschlägig, da er Ausführungen zum Mindeststeuersatz i.S.v. § 50 Abs. 3 S. 2 EStG enthalte, der hier gar nicht angewandt worden sei. Maßgeblich sei vielmehr das Urteil des Europäischen Gerichtshofs -EuGH- vom 14.09.1999 Rs. C-391/97, BStBl II 1999, 841, in dem das Gericht ausgesprochen habe, dass die Gewährung einer persönlichen Steuervergünstigung wie des Splittingvorteils an gebietsfremde Eheleute davon abhängig gemacht werden dürfe, ob mindestens 90 % ihres Welteinkommens in diesem Staat der Steuer unterlägen oder aber ihre ausländischen Einkünfte einen bestimmten Betrag nicht überschritten. Eine derartige Bestimmung stelle § 1 Abs.3 EStG dar, deren Voraussetzungen hier aber nicht erfüllt seien: Die ausländischen Einkünfte des Klägers überstiegen mit 37.653,0...