Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Mitwirkungs- und Ermittlungspflichten bei steuerbegünstigter Entschädigung. Entschädigung; Änderung; Neue Tatsache; Mitwirkungspflicht; Ermittlungspflicht; Treu und Glauben
Leitsatz (redaktionell)
Das Unterlassen von - im Erklärungsvordruck nicht geforderten - rechtserheblichen Erläuterungen über eine als steuerbegünstigt deklarierte Abfindung und der Vorlage der zugrundeliegenden Verträge stellt einen Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen dar, die gegenüber einer die gleichen ergänzenden Sachverhaltsangaben betreffenden Ermittlungspflichtverletzung der Finanzbehörde überwiegt. Die nachträgliche Änderung der Steuerfestsetzung wegen neuer Tatsachen kann in diesem Fall nicht unter Berufung auf Treu und Glauben abgewehrt werden.
Normenkette
AO § 173 Abs. 2 J: 1977; EStG § 24 Nr. 1, § 34 Abs. 1-2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Beklagten zu einer Korrektur eines Einkommensteuerbescheides wegen einer für die Kläger ungünstigen steuerlichen Behandlung einer Abfindungsvereinbarung.
Die Kläger sind zusammen zu veranlagende Eheleute. Der Kläger war im Streitjahr 1993 bei dem Prozessvertreter der Kläger nichtselbständig tätig.
Im Frühjahr 1992 teilte der Arbeitgeber dem Kläger mit, dass er das bestehende Arbeitsverhältnis zum Jahresende 1992 beenden werde. Nach Verhandlungen kamen die Beteiligten überein, den Austritt auf den 28.02.1993 festzusetzen. Mit schriftlicher Zusage vom 06.04.1992 bescheinigte der Arbeitgeber dem Kläger die Vereinbarung einer Zahlung im Februar 1993 wegen Verlustes des Arbeitsplatzes und für die entgehenden Einnahmen als Abfindung in Höhe von 93.315 DM. Dieser Betrag sollte nach den einschlägigen steuerlichen Vorschriften in Höhe von 36.000 DM steuerfrei bleiben und im übersteigenden Betrag mit dem halben Steuersatz versteuert werden.
Gemäß einer Zusatzvereinbarung vom 07.04.1992 garantierte der Arbeitgeber dem Kläger ab 1993 bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Versorgung, die unter Einbeziehung des Arbeitslosengeldes zunächst 90 %, dann 80 % und bis 1998 70 % des letzten Bruttogehaltes von 132.786 DM sichern sollte. Die Aufstockung des Arbeitslosengeldes bis zum 28.02.1994 wurde in die Abfindung eingerechnet und anschließend mit monatlichen Zuschusszahlungen von 997 DM brutto vom 01.03.1994 bis 28.02.1995 und 2.805 DM brutto vom 01.11.1995 bis 28.02.1998 abgedeckt. Weiter leistete der Arbeitgeber vereinbarungsgemäß bei der befreienden Lebensversicherung die Differenz zwischen der Leistung der Bundesanstalt für Arbeit und dem Höchstbeitrag in der Angestelltenversicherung. Wegen der weiteren Absprachen wird auf die schriftlichen Vereinbarungen vom 06.04. und 07.04.1992 sowie die Aufstellungen des Arbeitgebers über die Ermittlungen zur Höhe der Abfindung und die geleisteten Zahlungen von 1993 bis 1998, in Kopie in der Einkommensteuerakte, Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 06.01.1993 teilte der Arbeitgeber dem Kläger sodann mit, dass die zugesagte Abfindung auf 99.085 DM angehoben werde. Der Kläger schied Ende Februar 1993 aus dem Unternehmen des Arbeitnehmers aus. Er erhielt im Februar 1993 den angekündigten Abfindungsbetrag von 99.085 DM. Er meldete sich für den Rest des Jahres 1993 beim Arbeitsamt arbeitslos.
Ausweislich einer firmeninternen Aufstellung des Arbeitgebers für einen Zeitraum von 60 Monaten erhielt der Kläger die nachfolgenden Zahlungen des Arbeitgebers:
Zeitraum |
Bruttozahlungen der Firma |
In % der letzten Nettobezüge |
3/93-2/94 |
74.784 |
117,1 |
3/94-2/95 |
62.724 |
94,3 |
3/95-2/96 |
61.916 |
78,1 |
3/96-2/97 |
84.420 |
66,0 |
3/97-2/98 |
84.420 |
67,5 |
Mit Schreiben vom 25.01.1994 erhöhte der Arbeitgeber aufgrund der Verringerung des Arbeitslosengeldes um 67 DM/mtl. die Abfindung um den entsprechenden Differenzbetrag (67 DM x 22 Monate) von 1.474 DM auf dann 100.560 DM.
Mit der im Februar 1994 eingereichten Einkommensteuererklärung 1993 erklärten die Kläger bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Tätigkeit einen Bruttoarbeitslohn von 15.987 DM sowie ermäßigt zu besteuernde Entschädigungen in Höhe von 63.085 DM. Die beigefügte Lohnsteuerkarte enthielt zwei separate, vom Arbeitgeber erstellte Abrechnungen: eine für den Zeitraum vom 01.01.1993 - 28.02.1993 sowie eine weitere für den Zeitraum vom 01.03.1993 - 31.12.1993. Die erstere wies neben einem Bruttoarbeitslohn von 7.123 DM (Zeile 3) u.a. eine ermäßigt besteuerte Entschädigung von 63.085 DM (Zeile 14) aus. Die zweite enthielt einen Ausweis von Bruttoarbeitslohn in Höhe von 8.855 DM (Zeile 3). Der die Erklärung bearbeitende Mitarbeiter des Beklagten addierte die drei Beträge zur Summe von 79.063 DM auf und notierte diese handschriftlich auf dem Erklärungsvordruck. Er veranlagte insoweit antragsgemäß und setzte mit Bescheid vom 19.04.1994 die Einkommensteuer 1993 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Nach Einreichung zusätzlich angeforderter Spendenbescheinigungen hob der Beklagte so...