Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
- Zivilprozesskosten können auch in vor dem Jahr 2013 endenden Veranlagungszeiträumen (hier: 2010) allenfalls dann als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn sie durch ein Gerichtsverfahren veranlasst sind, in dem über für den Steuerpflichtigen existentielle Fragen entschieden wird (entgegen BFH-Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015; Anschluss an Urteil des FG Hamburg vom 24.09.2012 1 K 195/11, EFG 2013, 41).
- Die im Zusammenhang mit der Erteilung eines Erbscheins entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten stehen weder in Zusammenhang mit dem existenziell notwendigen Lebensbedarf noch stellen sie im Hinblick auf den Gegenwert der angestrebten Erbschaft eine Belastung dar.
- § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013 ist erst ab dem Veranlagungszeitraum 2013 anzuwenden (Anschluss an Urteil des FG Düsseldorf vom 08.08.2013 11 K 3540/12 E).
Normenkette
EStG 2009 § 32a Abs. 1, § 33 Abs. 1, 2 S. 1; EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013 § 33 Abs. 2 S. 4; EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013 § 52 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Streitjahr(e)
2010
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen der Einkommensteuer für 2010 Kosten für einen Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.
Im Jahr 2007 verstarb die Mutter der Klägerin. Ausweislich eines aufgefundenen Testamtes hatte sie die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin beantragte daraufhin einen Erbschein. Im Rahmen des Erteilungsverfahrens zweifelte der Bruder der Klägerin die Rechtmäßigkeit des Testamentes an. Es kam zu einem Zivilrechtsstreit, in dem das Amtsgericht Ibbenbüren zu Gunsten der Klägerin entschied. Dagegen legte der Bruder der Klägerin Beschwerde ein, der das Amtsgericht nicht abhalf. Das für die Beschwerdeentscheidung zuständige Landgericht Z hob den Nichtabhilfebeschluss und die Vorlageverfügung des Amtsgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Das Amtsgericht erhob im zweiten Rechtsgang Beweis durch Einholung eines graphologischen Gutachtens. Mit Beschluss vom 1.2.2010 erteilte es der Klägerin schließlich einen Alleinerbschein. Im Zusammenhang mit diesem Zivilrechtsstreit entstanden der Klägerin in 2010 Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € und Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 €, die ihr weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden. Die Gerichtskosten setzten sich aus den Gebühren für die Erteilung eines Erbscheins, den Gebühren für die Beurkundung einer eidesstattlichen Versicherung, den Gebühren für die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen sowie den Auslagen für den Gutachter zusammen.
Die Klägerin machte die betreffenden Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 zunächst nicht geltend. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 22.7.2011 zur Einkommensteuer. Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legte die Klägerin fristgemäß Einspruch mit der Begründung ein, dass aufgrund der neuen – geänderten – Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gemäß dem Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10 (Sammlung der Entscheidungen des BFH --BFHE-- 234, 30, Bundessteuerblatt --BStBl-- 2011, 1015) die Anwaltskosten aus dem Nachlassverfahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.
Das FA wies die Klägerin mit Schreiben vom 30.3.2012 darauf hin, dass in Bezug auf das betreffende BFH-Urteil ein Nichtanwendungserlass ergangen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14.9.2012, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, wies das FA den Einspruch schließlich als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin ergänzend vorträgt: Über die bereits im Einspruchsverfahren geltend gemachten Anwaltskosten hinaus seien in 2010 für die Zivilrechtsstreitigkeit Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 € angefallen. Ein Teil der Gerichtskosten sei dadurch entstanden, dass das Gericht die Einholung eines graphologischen Gutachtens für erforderlich gehalten habe. Sämtliche Kostenpositionen seien zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG entstanden. Sie sei von ihrem Bruder in der Nachlasssache klageweise in Anspruch genommen worden, da dieser die Rechtmäßigkeit des Testaments angezweifelt habe. Nach der geänderten Rechtsprechung des BFH würden Kosten eines Zivilprozesses dem Steuerpflichtigen unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits zwangsläufig erwachsen. Auch sei keine leichtfertige Einlassung auf den Prozess erfolgt. Zwischenzeitlich sei das Verfahren abgeschlossen. Das Amtsgericht habe ihr einen Alleinerbschein ausgestellt. Die beabsichtigte Rechtsverteidigung sei daher erfolgreich und damit auch unausweichlich im Sinne des § 33 EStG gewesen. Eine Erstattung durch eine Rec...