vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte: Betriebsstättenbegriff des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG – Betrieb des einzigen Auftraggebers als Mittelpunkt der betrieblichen Arbeit – Nutzung einer weiteren Betriebsstätte als Lagerplatz und Bürostandort – Relevanz des Begriffs der "ersten Tätigkeitsstätte" für Gewerbetreibende
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Ermittlung der nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG) ist unter Betriebsstätte abweichend von § 12 AO der Ort zu verstehen, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.2014 X R 13/13, BStBl II 2015, 273).
2. Geht ein Gewerbetreibender seiner – ggf. auf Grund einer Vielzahl von Einzelaufträgen beruhenden - Tätigkeit regelmäßig in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines einzigen Auftraggebers nach, so dass diese nach inhaltlichen und zeitlichen Kriterien den Mittelpunkt seiner betrieblichen Arbeit bildet, befindet sich seine Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG auf dem Gelände des Auftraggebers, ohne dass es hierfür auf seine eigene Verfügungsmacht über diese betriebliche Einrichtung ankommt.
3. Dies gilt auch, wenn der Stpfl. über eine weitere in der Nähe seines Wohnsitzes belegene Betriebsstätte verfügt, in der er die für seine Arbeit notwendigen Gerätschaften lagert, wartet und bei Bedarf abholt sowie gelegentlich Büroarbeiten ausführt.
4. Durch die Einführung des Begriffs der "ersten Tätigkeitsstätte" in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sowie der Definition des Begriffes der "dauerhaften Zuordnung" in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG hat sich für Gewerbetreibende hinsichtlich der Behandlung der Reisekosten keine Veränderung ergeben.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 4 S. 3
Streitjahr(e)
2012, 2013, 2014
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Festsetzungen der Einkommensteuer sowie der Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2012 bis 2014 mit (geänderten) Bescheiden vom 25.7.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.6.2017.
Streitig ist, ob der Kläger in A-Stadt, B-Straße, über eine Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verfügt hat und welche steuerlichen Folgen daraus ggf. zu ziehen sind.
Der Kläger betrieb seit ein Abbruchunternehmen als Ein-Mann-Betrieb, nachdem er zuvor bei seinem Vater für dessen Abbruchunternehmen als Angestellter gearbeitet hatte. Er firmierte fortan unter derselben Adresse wie sein Vater (…) und ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Im Rahmen seines Unternehmens führte der Kläger Abbruch- und Reinigungsarbeiten …auf dem Gelände seines (einzigen) Auftraggebers, der F-Firma in C-Stadt, aus. Diesen Kunden hatte er von seinem Vater "übernommen".
Der Kläger schaffte nach und nach für seinen Betrieb notwendige Gerätschaften an (… Bagger , 29.10.2012; … Hydraulikhammer, 17.10.2011; 2 x … Spitzmeißel, 17.10.2011; … Spatenmeißel, 17.10.2011, 2x Meißel, 22.9.2010, . Schaufelladerwaage, 10.5.2011). Im Übrigen nutzte er seinem Vater gehörende Geräte (z.B. Bagger-., …. Radlader-…, LKW ., Hydraulikhammer 1,7 t, Hydraulikhammer 0,8 t).
Die Fahrten nach C-Stadt unternahm der Kläger von A-Stadt aus, wo er unter der Adresse P-Str wohnte. Der Kläger nutzte für diese Fahrten zum Teil seinen im Betriebsvermögen befindlichen PKW (…) und führte im Übrigen die Fahrten zur F-Firma mit einem LKW seines Vater durch. Die Fahrten mit dem LKW trat er von dem Grundstück B-straße aus an.
Eine steuerliche Betriebsprüfung (Prüfungsbericht vom 8.6.2016) kam zu der Auffassung, dass sich die einzige Betriebsstätte des Klägers auf dem Gelände der F-Firma in C-Stadt befunden habe. Deshalb seien die Fahrten des Klägers nach C-Stadt als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und nicht als Reisekosten zu qualifizieren. Abweichend von § 12 der Abgabenordnung (AO) sei nämlich der Begriff der Betriebsstätte im Hinblick auf den besonderen Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG und im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sowie wegen der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften als von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte zu verstehen, die weder eine ortsfeste betriebliche Einrichtung noch eine eigene Verfügungsmacht des Betriebsinhabers voraussetze.
Das Gelände B-Straße sei deshalb keine Betriebsstätte des Klägers. Am 13.5.2016 hatte dort eine Ortsbesichtigung stattgefunden. Der Betriebsprüfer hatte dabei notiert, dass sich auf dem Gelände kein Lager des Klägers befinde. Eine Miete habe der Kläger für eine etwaige Nutzung des Geländes nicht gezahlt. Die Verwendung der Firmenadresse des Vaters und fast identis...