Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger nach dem Heimarbeitsgesetz – HAG – einem Hausgewerbetreibenden gleichgestellt ist und sich daher die Steuermeßzahl für den Gewerbeertrag ermäßigt.
Der Kläger betreibt eine Krawattennäherei.
Der Kläger macht – wie bereits erfolglos im Einspruchsverfahren gegen die Gewerbesteuervorauszahlungsbescheide A. und B. – mit der Klage im wesentlichen folgendes geltend: Die Steuermeßzahl für den Gewerbeertrag betrage nicht, wie vom Beklagten im Sinne von § 11 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes – GewStG – festgesetzt, 5 %, sondern ermäßige sich gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1 GewStG auf 2,5 %. Er sei nach § 1 Abs. 2 c HAG dem Hausgewerbetreibenden gleichgestellt, er sei nämlich ähnlich wie dieser wirtschaftlich abhängig. Er erfülle die von dem Heimarbeitsausschuß für die Herstellung von Krawatten, Tüchern und Schals in der „Bekanntmachung einer Gleichstellung von Hausgewerbetreibenden in der Herstellung von Krawatten” vom 20. März 1989 (Bundesanzeiger Nr. 109, Seite 2941) aufgestellten Kriterien. Insbesondere überschritten seine jährlichen Investitionen für Betriebsmittel im Durchschnitt der letzten fünf Jahre nicht 5 % des Umsatzes. Der Begriff der Betriebsmittel umfasse entgegen der Ansicht des Beklagten nicht das gesamte Betriebsvermögen, sondern lediglich Maschinen und Anlagen zur Herstellung von Krawatten. Daher sei insbesondere die Anschaffung des betrieblichen PKW im Jahr … zum Preis von … DM bei der Berechnung auszunehmen und seien die Investitionen … mit nur … DM anzusetzen. Der Kläger hat dazu in dem Parallelverfahren 8 K 4497/93 G (dort S. 11 f. d.A.) eine Stellungnahme des Heimarbeitsausschusses vom … vorgelegt. Zudem sei der Beklagte an die mit Mitteilung des Gewerbeaufsichtsamtes vom … erfolgte Gleichstellung im Sinne von § 1 Abs. 2 c HAG gebunden.
Der Beklagte hat im Verlauf des Klageverfahrens die Jahresbescheide über die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge A. und B. erlassen; diese sind durch Antrag des Klägers i. S.v. § 68 der Finanzgerichtsordnung zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
auf den Gewerbeertrag die Steuermeßzahl 2,5 % anzuwenden und die Jahresbescheide A. und B. entsprechend zu ändern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist weiterhin der Ansicht, die Voraussetzungen einer Ermäßigung der Steuermeßzahl lägen nicht vor. Die Investitionen des Klägers überschritten die in der Bekanntmachung des Heimarbeitsausschusses festgelegte Grenze, die sich auf die individuellen Umsätze des einzelnen Gewerbetreibenden beziehe; sie betrügen A. 13,77 %. Der Begriff der Betriebsmittel sei nicht steuerrechtlich zu verstehen, sondern stelle eine betriebswirtschaftliche Umschreibung des volkswirtschaftlichen Begriffs Produktionsmittel dar. Er umfasse daher alles, was zur Erfüllung des Betriebszwecks erforderlich sei, damit u. a. auch den betrieblichen Fuhrpark. Die Gleichstellungsmitteilung vom … sei kein ihn bindender Grundlagenbescheid; im übrigen betreffe er nicht das Streitjahr A..
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet. Hinsichtlich des Streitjahres B. hat sie Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet.
a) Die Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages B. ist rechtswidrig. Die Steuermeßzahl für den Gewerbeertrag beträgt nicht 5 %, sondern 2,5 %.
Gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1 GewStG ermäßigt sich die Steuermeßzahl auf 2,5 % bei Hausgewerbetreibenden und ihnen nach § 1 Abs. 2 b und d HAG gleichgestellten Personen. Das gleiche gilt für die nach § 1 Abs. 2 c HAG gleichgestellten Personen, deren Entgelte aus der Tätigkeit unmittelbar für den Absatzmarkt im Erhebungszeitraum 50.000,– DM nicht übersteigen. Die Gleichstellung erfolgt gemäß § 1 Abs. 4 HAG durch widerrufliche Entscheidung des zuständigen Heimarbeitsausschusses.
Der Kläger ist hier durch Mitteilung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes X. vom … für „die laufende Saison” (vgl. Schreiben der o.a. Behörde vom …) einem Hausgewerbetreibenden i. S.v. § 1 Abs. 2 c HAG gleichgestellt worden. An diese das Streitjahr B. betreffende Gleichstellung ist der Beklagte gebunden.
Eine Bindung der Finanzbehörde an durch ressortfremde Behörden festgestellte Tatsachen besteht nicht nur dann, wenn sie unmittelbar gesetzlich angeordnet ist. Sie kann sich auch mittelbar aus dem Gesetz ergeben, insbesondere dann, wenn dieses die Behörde zu rechtsgestaltenden Verwaltungsakten ermächtigt (Koch/Scholtz, 5.A., § 171 Rdn. 111).
In entsprechender Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich die Bindungswirkung daraus, daß nach § 1 Abs. 4 HAG die Gleichstellung des Gewerbetreibenden mit der Entscheidung des Heimarbeitsausschusses erfolgt und die Gleichstellung wiederum rechtsgestaltend wirkt, nämlich ihr Vorliegen eine Steuerermäßigung i. S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1 GewStG begründet. Zudem ist der Umfang der Bindungswirkung nach dem Sinn und Zweck des HAG weit zu fassen; eine über das HAG hinausgehende Prüfung der Schutzbedürftigkeit des Gewerbetreibenden ist den Finanzbehörden ...