Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen eines Vorsteuerrückforderungsanspruchs durch Zahlungsverjährung
Leitsatz (redaktionell)
- Hat ein Unternehmer sich durch Ausgabe einer Rechnung mit Steuerausweis zunächst für die Anwendung des nationalen Rechts entschieden und beruft er sich anschließend im Wege der Rechnungsberichtigung erfolgreich auf eine nicht umgesetzte gemeinschaftsrechtliche Steuerbefreiung, so wird die ursprüngliche Rechnung rückwirkend unrichtig.
- Ein zivilrechtlicher Anspruch des Leistenden auf Umsatzsteuernachforderung kann in diesem Fall nicht auf eine im Wege ergänzender Vertragauslegung zu schließende Regelungslücke gestützt werden. Die Aufrechnung mit diesem nicht bestehenden Anspruch steht daher der Rechnungsberichtigung nicht entgegen.
- Im Veranlagungszeitraum 1982 abgezogene Vorsteuerbeträge, die auf einem nach § 14 Abs. 2 UStG 1980 zu Unrecht vorgenommenen Umsatzsteuerausweis beruhen, können nicht im späteren Jahr der Rechnungsberichtigung (1985) vom Leistungsempfänger zurückgefordert werden.
- Die Weiteranwendung der bis zum BFH-Urteil vom 02.04.1998 V R 34/97 (BStBl II 1998, 695) geltenden gegenteiligen Rechtsprechung – Rückforderung im Jahr der Rechnungsberichtigung – aus Gründen des Vertrauensschutzes kommt nicht in Betracht, wenn die Umsatzsteuerfestsetzung des Abzugsjahrs im Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung bereits verfahrensrechtlich unabänderbar war und sich die Rechtsprechungsänderung daher nicht mehr zum Nachteil des Leistungsempfängers auswirken konnte.
- Die Zahlungsverjährung eines Vorsteuerrückforderungsanspruchs beginnt erst mit der die Vorsteuerberichtigung beinhaltenden Steuerfestsetzung.
Normenkette
UStG 1980 § 14 Abs. 2 S. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 17 Abs. 1; UStG 1973 § 6 Abs. 1; EWGRL 388/77 Art. 15; AO § 176 Abs. 1 Nr. 3, § 229 Abs. 1 S. 2
Streitjahr(e)
1982
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Beklagte im Veranlagungszeitraum 1982 abgezogene Vorsteuerbeträge i. H. v. 3.162.200,89 DM mit Umsatzsteuerbescheid 1985 vom 12.10.1994 zu Recht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG 1980 zurückgefordert hat.
Im Jahre 1979 lieferte die A-GMBH im Rahmen von Reihengeschäften Heizöl und andere Mineralölprodukte mit Bestimmungsorten in Rotterdam und Amsterdam an die B–GmbH – im Folgenden: BG -, eine Organgesellschaft der Klägerin. Dabei gingen zunächst sowohl die A-GMBH als auch BG davon aus, dass diese Lieferungen als Ausfuhrlieferungen steuerfrei seien. Dementsprechend erteilte die A-GMBH der BG zunächst Rechnungen ohne Steuerausweis. Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der A-KG – im Folgenden: A-KG, der Rechtsnachfolgerin der A-GMBH, vertrat die OFD H-Stadt die Auffassung, die Lieferungen an BG seien steuerpflichtig, weil BG kein ausländischer Abnehmer i. S. v. § 6 Abs. 1 UStG 1973 sei. Daraufhin erließ das Finanzamt C-Stadt am 30.11.1983 einen dementsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid 1979 gegenüber A-KG. Bereits am 14.05.1982 hatte A-KG der BG für die o. g. Lieferungen Umsatzsteuer i. H. v. 3.162.200,89 DM nachberechnet (Bl. 54 - 56 d. A.). Diesen Betrag machte die Klägerin im Veranlagungszeitraum 1982 als Vorsteuer geltend.
Bereits seit 1981 war zwischen BG und A-KG ein schiedsgerichtliches Verfahren anhängig, in dem BG A-KG auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Öllieferungsvertrages in Anspruch nahm. In dieser Sache erging am 04.06.1982 ein Teil- und Grundschiedsspruch, worin die Schadensersatzverpflichtung der A-KG dem Grunde nach festgestellt wurde.
Am 08.10.1982 telexierte BG an A-KG unter dem Betreff „Ihre Forderungen gegen uns”: „Gegen Ihre gegenwärtigen Forderungen rechnen wir mit dem Anspruch auf, der im Schiedsgerichtsverfahren BG./. A-KG festgestellt worden ist”.
Am 21.01.1983 erklärte A-KG im Rahmen des schiedsgerichtlichen Verfahrens die Aufrechnung u. a. mit ihrem Anspruch auf die nachberechnete Umsatzsteuer „für den Fall, dass das angerufene Schiedsgericht…einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus entgangenem Gewinn bejaht”.
Am 30.06.1983 wurde über das Vermögen der A-KG ein Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses eröffnet, welches nach Annahme des Vergleichsvorschlages der A-KG und nach Bestätigung des Vergleichs durch das AG C-Stadt wieder aufgehoben wurde.
Am 24.11.1983 wurde A-KG in dem schiedsgerichtlichen Verfahren verurteilt, BG wegen einer Forderung in Höhe von 12.586.734,14 DM nebst Zinsen nach Maßgabe des am 10.08.1993 vom AG C-Stadt bestätigten Liquidationsvergleichs anteilig aus dem Liquidationserlös zu befriedigen. Die Entscheidung erging „vorbehaltlich der Entscheidung eines ordentlichen Gerichts über die von der Beklagten (= A-KG) erklärte Aufrechung mit Mehrwertsteuererstattungsansprüchen”. Aus dem Tatbestand des Schiedsspruches vom 24.11.1983 ergibt sich, dass zwischen den Schiedsparteien unstreitig war, dass sich die Aufrechnungserklärung der BG vom 08.10.1982 auf Forderungen der A-KG gegen BG aus Warenlieferungen über 6.208.594,49 DM bezog. Hingegen sei das Vorbringen d...