Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Vorsteuerbeträge, die auf einem unrichtigen Steuerausweis beruhen, können nicht (erst) im späteren Jahr der Rechnungsberichtigung vom Leistungsempfänger zurückgefordert werden.
Sachverhalt
Der überaus komplizierte Sachverhalt kann hier nur verkürzt dargestellt werden. Für eine Lieferung aus dem Jahr 1979 erteilte A der B erst im Jahr 1982 eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis. Später wurde gerichtlich festgestellt, dass die zu Grunde liegenden Leistungen umsatzsteuerfrei waren. Dementsprechend wurde die Rechnung mit unrichtigem Steuerausweis im Jahr 1985 zurückgenommen. Am 16.12.1994 forderte das Finanzamt mit geändertem Umsatzsteuerbescheid 1985 die von B abgezogenen Vorsteuerbeträge zurück.
Entscheidung
Die von B geltend gemachte Zahlungsverjährung stand der Vorsteuerrückforderung nicht entgegen. Vielmehr findet § 229 Abs. 1. S. 2 AO im Streitfall Anwendung, da eine auf § 14 Abs. 2 S. 2 UStG a.F. i.V. mit § 17 Abs. 1 UStG gestützte Vorsteuerberichtigung im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erfolgen hat. § 229 Abs. 1 Satz 2 AO schließt aus, dass die Zahlungsverjährung vor einer entsprechenden Steuerfestsetzung eintritt. Nach neuerer BFH-Rechtsprechung (vgl. Urteile v. 11.10.2007, V R 27/05 und v. 6.12.2007, V R 3/06) ist eine nach § 14 Abs. 2 UStG a.F. ausgewiesene und zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuer - unabhängig von einer Rechnungsberichtigung - (nur) im Abzugsjahr zu korrigieren. Eine Rechnungsberichtigung in einem späteren Jahr berechtigt das Finanzamt nicht zur Rückforderung der Vorsteuer.
Hinweis
Von Bedeutung ist zunächst der klarstellende Hinweis, dass eine Vorsteuerberichtigung wegen unrichtigem Steuerausweis grundsätzlich im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erfolgen hat, also eine entsprechende Steueranmeldung oder eine Steuerfestsetzung erfordert. Der Eintritt der Zahlungsverjährung wird in diesen Fällen durch § 229 Abs. 1 S. 2 AO ausgeschlossen (keine Zahlungsverjährung vor Steuerfestsetzung). Zu beachten ist hier aber die jüngere Rechtsprechung des BFH, auf die sich das Finanzgericht u. a. beruft, wonach bei Berichtigung eines unrichtigen Steuerausweises die Vorsteuer vom Leistungsempfänger grundsätzlich nur im Jahr der Rechnungsberichtigung (und nicht bereits im Jahr der Rechnungserteilung) zurückgefordert werden kann. Bei länger zurückliegenden Sachverhalten, wie das bei vergleichbaren Konstellationen häufig der Fall ist, liegt das Risiko eines endgültigen zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs dadurch oftmals beim Fiskus, zumindest dann, wenn der Vorsteuerausweis bei Rechnungserteilung nicht bereits ganz offenkundig falsch war.
Für noch anhängige Praxisfälle mit vergleichbarer Problematik sind womöglich die grundlegenden Ausführungen des Finanzgerichts zur Anwendung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO von Bedeutung. Der BFH hatte auf die Relevanz dieser Vorschrift schon in seinen o.g. Urteilen (V R 27/05 und V R 3/06) explizit hingewiesen.
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2008, 1 K 2604/05 U