Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachhaftung des Insolvenzschuldners für Masseverbindlichkeiten – Beschränkung der Haftung für Umsatzsteuerschulden. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 23/22)
Leitsatz (redaktionell)
Aus der eingeschränkten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters kann auch in Bezug auf die als Masseverbindlichkeiten begründeten Umsatzsteuerschulden keine Beschränkung der Nachhaftung des Insolvenzschuldners für die Zeit nach der Beendigung eines Insolvenzverfahrens hergeleitet werden (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 2017 VII R 1/16, BFHE 260, 26, betr. Einkommensteuerschulden).
Normenkette
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1; UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 13a Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger erzielte als Unternehmer der Umsatzsteuer unterliegende Umsätze. Das Amtsgericht A-Stadt (Amtsgericht) eröffnete mit Beschluss vom 17. Juli 2008 - 00 IN 0 0/08 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers. Der Insolvenzverwalter zeigte gegenüber dem Amtsgericht am 23. September 2008 drohende Masseunzulänglichkeit an.
Der Insolvenzverwalter führte das Unternehmen des Klägers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort. Das beklagte Finanzamt sah die auf Grund dessen entstandene Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit an. Es setzte deshalb gegen den Insolvenzverwalter mit Bescheiden vom 18. November 2014 Umsatzsteuer für das Jahr 2008 von 3.146,65 € nebst 821 € Zinsen sowie für das Jahr 2009 61 € Umsatzsteuer fest. Für das Jahr 2008 setzte das beklagte Finanzamt mit Bescheid vom 16. Januar 2015 die Umsatzsteuer auf 3.944,97 € und die Zinsen auf 1.034 € neu fest, was zu einer Nachforderung von 798,32 € Umsatzsteuer und 213 € Zinsen führte. Ferner setzte es mit Bescheid vom 16. Januar 2015 für das Jahr 2010 450,20 € Umsatzsteuer und 82 € Zinsen fest, was zu einer Nachforderung von 514,52 € Umsatzsteuer und 82 € Zinsen führte.
Das Amtsgericht erteilte dem Kläger antragsgemäß mit Beschluss vom 15. Juli 2016 Restschuldbefreiung und stellte das Insolvenzverfahren am 28. September 2016 nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit ein (§ 211 der Insolvenzordnung - InsO -).
Das beklagte Finanzamt forderte den Kläger mit einer Vollstreckungsankündigung vom 12. August 2020 auf, die für die Jahre 2008 bis 2010 gegen den Insolvenzverwalter festgesetzte und noch rückständige Umsatzsteuer zuzüglich Zinsen und Säumniszuschlägen von insgesamt 5.885,65 € zu entrichten. Der Kläger berief sich auf die ihm erteilte Restschuldbefreiung. Das beklagte Finanzamt wies ihn darauf hin, dass die Restschuldbefreiung nicht für die vom Insolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeiten wirken könne. Der Kläger machte alsdann mit Schreiben vom 8. September 2020 geltend, dass seine Haftung für durch die Handlungen des Insolvenzverwalters begründete Masseverbindlichkeiten nach § 80 Abs. 1 InsO beschränkt sei. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. November 2017 VII R 1/16 (BFHE 260, 26) habe ausschließlich Einkommensteuerschulden betroffen. Bei Einkommensteuerschulden fehle es an einem zurechenbaren Handlungsbeitrag des Insolvenzverwalters, so dass eine Nachhaftung des Schuldners auf Grund seiner Handlungen gerechtfertigt sein könne. Anderes müsse für Umsatzsteuerschulden gelten, die durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet worden seien. Insoweit gebe es einen eindeutigen zurechenbaren Handlungsbeitrag des Insolvenzverwalters, der letztlich zur Entstehung der Umsatzsteuer geführt habe.
Das beklagte Finanzamt pfändete die Ansprüche des Klägers aus seiner Geschäftsverbindung mit der…B ank B-Stadt und ordnete die Einziehung an. Der Kläger kündigte daraufhin mit Schreiben vom 15. September 2020 an, dass er die vom beklagten Finanzamt geltend gemachten Abgabenrückstände zur Abwendung der Vollstreckung zahlen werde. Er werde den Betrag allerdings zurückfordern. Der Kläger entrichtete daraufhin am 23. September 2020 insgesamt 5.938,65 € an das beklagte Finanzamt hinsichtlich der für die Jahre 2008 bis 2010 festgesetzten und rückständigen Umsatzsteuer zuzüglich Zinsen und Säumniszuschläge. Er forderte den von ihm entrichteten Betrag mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 zurück.
Das beklagte Finanzamt stellte mit Abrechnungsbescheid vom 2. November 2020 fest, dass die für die Jahre 2008 bis 2010 festgesetzte Umsatzsteuer zuzüglich der Zinsen und Säumniszuschläge durch die Zahlung des Klägers vom 23. September 2020 erloschen sei. Eine “Auskehrung der vereinnahmten Beträge“ werde abgelehnt. Die Nachhaftung des Klägers für die vom Insolvenzverwalter begründeten Umsatzsteuerschulden, die Masseverbindlichkeiten seien, sei nicht beschränkt. Die dem Kläger erteilte Restschuldbefreiung wirke nicht gegen Massegläubiger.
Den hiergegen vom Kläger eingelegten Einspruch wies das beklagte Finanzamt mit Entscheidung vom 28. April 2021 als unbegründet zurück.
Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Es sei zwar einzuräumen, dass die Restschuldbefreiung nur gegen die Insolvenzgläubiger wirke. Gleichwohl ha...