Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinnützigkeit: Aberkennung wegen Mittelfehlverwendung
Leitsatz (redaktionell)
- Ein eigenmächtiges Handeln eines Organs kann der Körperschaft grundsätzlich nur dann zugerechnet werden, wenn der Sachverhalt den anderen Organen infolge grober Vernachlässigung der ihnen obliegenden Überwachungspflichten verborgen geblieben ist (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2011 V R 17/99, BStBl 2002 II S. 169).
- Eine solche grobe Vernachlässigung der Überwachungspflichten des Aufsichtsrats einer Körperschaft setzt voraus, dass die Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfalt, zu der sie nach ihren persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande gewesen wären, in ungewöhnlich hohem Maße und nicht entschuldbarer Weise verletzt haben.
- Eigenmächtig bewirkte überhöhte Gehaltszahlungen an die Geschäftsführerin einer gemeinnützigen GmbH begründen daher keine gemeinnützigkeitsschädliche Mittelfehlverwendung, wenn die vorgenommene Vergütungserhöhung durch bewusste Täuschung gegenüber dem Aufsichtsrat verschleiert worden ist.
Normenkette
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; AO § 55 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 63 Abs. 1; HGB § 268 Abs. 4
Streitjahr(e)
2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018
Tatbestand
Die Beteiligten streiten sich darüber, ob der Klägerin, einer gemeinnützigen GmbH, für die Jahre 2013 bis 2018 wegen einer Mittelfehlverwendung der Status der Gemeinnützigkeit abzuerkennen ist.
Gesellschafter der Klägerin, ..., sind zu 50 % die Z. und zu jeweils 25 % der X. e.V. und der F. e.V. Die Klägerin verfügte im Jahr 2018 über N01 Mitarbeiter in insgesamt N02 Betriebsstellen.
In § 7 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin ist ein Aufsichtsrat als Organ der Gesellschaft vorgesehen. Gemäß § 13 Nr. 1 b des Gesellschaftsvertrages beschließt dieser insbesondere auch über die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer, während gemäß § 11 Nr. 1 b die Gesellschafterversammlung für die Entlastung des Aufsichtsrates und der Geschäftsführung zuständig ist.
Der Beklagte stellte zuletzt mit Bescheid gemäß § 60a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) vom 18.02.2014 die Erfüllung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51 ff. AO durch die Klägerin fest und wies darauf hin, dass die Klägerin nach ihrer Satzung mildtätige und gemeinnützige Zwecke nach § 52…AO fördere.
Vom 00.00.2009 bis zum 00.00.2018 war J. B. Geschäftsführerin der Klägerin; Vorsitzender des Aufsichtsrates war zunächst bis…2009 und dann wieder ab…2012 bis zum…2017 I. A..
Der erste Geschäftsführervertrag mit B. zum 00.00.2009 sah als Grundvergütung ein Jahresgehalt i.H.v.…Euro brutto zzgl. einiger Sonderleistungen, wie Dienstwagen und Altersversorgung, vor. Der Aufsichtsrat beabsichtigte im Jahr 2011, die Vergütung angemessen zu erhöhen und holte dazu ein Gutachten der Firma P. GmbH (P.) ein, welches vom 02.03.2011 datiert. Ausweislich des Gutachtens wurde eine Jahresbruttogrundvergütung von…bis…Euro für gerechtfertigt und angemessen erachtet. Zusätzlich wurde die Möglichkeit eines leistungsabhängigen Vergütungsbestandteils i.H.v. 15-25 % bezogen auf die Gesamtvergütung entwickelt. Auf dieser Grundlage beschloss der Aufsichtsrat am 17.03.2011 eine Änderungsvereinbarung. Danach wurde an die Geschäftsführerin ein Jahresgehalt i.H.v.…Euro brutto zuzüglich der Beiträge zur Sozialversicherung, ab dem 01.01.2011 eine Tantieme i.H.v. 15 % des Jahresgehalts bei Erfüllung einer definierten Zielvereinbarung sowie…Euro pro Monat für eine nachzuweisende private Altersvorsorge gezahlt. Die Tantieme war vom Erreichen im Vorjahr definierter Ziele abhängig. Verfahrensmäßig war der Weg so, dass B. jeweils drei Ziele vorschlug und im Folgejahr darüber berichten musste. Diese wurden soweit ersichtlich stets als erreicht angesehen. Die Gesamtvergütung belief sich daher im Jahr 2012 auf…Euro (zzgl. Sachbezügen).
Am 10.07.2013 beschloss der Aufsichtsrat in einer Sondersitzung eine Vertragsverlängerung mit der Geschäftsführerin um weitere 5 Jahre bis zum 00.00.2019. Der Aufsichtsratsvorsitzende wurde beauftragt, den Anstellungsvertrag entsprechend zu verlängern. A. und B. unterzeichneten noch am 10.07.2013 eine „Neufassung des § 3 (1) des Geschäftsführervertrages vom 25. Mai 2009 sowie deren Ergänzungen vom 03. Juli 2009 und 6. Oktober 2009 sowie 17. März 2011“ mit dem Inhalt: „Aufgrund des einstimmigen Aufsichtsratsbeschlusses vom 10. Juli 2013 wird der § 3 (1) wie folgt geändert: Dieser Vertrag wird ab dem 00.00.2014 um weitere 5 Jahre verlängert.“
Ebenfalls am 10.07.2013 unterzeichneten A. als Aufsichtsratsvorsitzender und B. eine „Neufassung der §§ 4 (1) sowie (2) und 6 (2) des Geschäftsführervertrages vom 25. Mai 2009 sowie deren Ergänzungen vom 03. Juli 2009 und 06. Oktober 2009 sowie 17. März 2011“, wonach B. als Vergütung für die erbrachte Leistung ab dem 01.07.2013 ein Jahresgehalt i.H.v.…Euro brutto und bei Erfüllung der Zielvereinbarung zusätzlich eine Vergütung von 15 % des Jahresgehalts erhalten sollte. Für die private Altersversorgung sollten nunmehr…Euro p.a. ohne Nachweis gezahlt werden. Die Lo...