vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schenkungsteuer: Mehrfache Berücksichtigung des Pflegefreibetrages; belohnende Schenkung
Leitsatz (redaktionell)
Der Pflegefreibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist bei mehrfachen belohnenden Schenkungen der pflegebedürftigen Person nur einmal zu gewähren.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 13 Abs. 1 Nr. 9
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die schenkungsteuerliche Berücksichtigung von Pflegeleistungen, die sie gegenüber ihrer Tante, S. M. (Schenkerin), erbracht hat.
Der Ehemann der Schenkerin verstarb im Jahr 1980. Seitdem pflegte die Klägerin diese, da sie aufgrund ihrer Unbeholfenheit, Unselbständigkeit und zunehmenden körperlichen Gebrechen nicht in der Lage war, die alltäglichen Aufgaben allein zu bewältigen.
Mit notariellem Vertrag vom 6.2.2017 (Notar B., UR-Nr: N01) übertrug die Schenkerin das Grundstück N.-straße, A-stadt, auf die Klägerin. Dem Vertrag war ein Schreiben der Schenkerin vom 27.1.2017 beigefügt, mit dem diese sich für die jahrzehntelange Betreuung durch die Klägerin bedankte. In dem Schreiben erklärte sie zudem, dass sie sich immer auf die Klägerin habe verlassen können und diese ihr Tag und Nacht zur Verfügung gestanden habe, weshalb sie der Klägerin den näher bezeichneten Grundbesitz schenken wolle. Herrn O., dem Steuerberater der Schenkerin, sei dieser Wille seit vielen Jahren bekannt.
Am 26.3.2017 verstarb die Schenkerin.
In der Schenkungsteuererklärung vom 22.6.2017 erklärte die Klägerin, dass ihr neben dem Grundstück N-straße Guthaben bei der Bank in Höhe von 90.000 € zugewendet worden seien.
Mit geändertem Bescheid vom 29.6.2020 setzte der Beklagte Schenkungsteuer in Höhe von 170.130 EUR fest. Auf den Einspruch der Klägerin hin erhöhte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26.2.2021 die Schenkungsteuerfestsetzung auf 230.160 €. Hiergegen erhob die Klägerin im Verfahren 4 K 813/21 Erb Klage, mit der sie die Berücksichtigung von Pflegeleistungen als Gegenleistung und die teilweise Steuerbefreiung nach § 13d des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) begehrte sowie geltend machte, dass ihr das Guthaben von 90.000 € nicht am 6.2.2017 geschenkt worden sei. Hierzu übersandte die Klägerin Kontoübersichten des Kontos bei der Bank, nach denen ein Betrag von 20.000 € am 1.2.2017 und ein Betrag von 70.000 € am 2.2.2017 an sie überwiesen worden war.
Mit Bescheid vom 28.6.2021 reduzierte der Beklagte die Festsetzung aus nicht im Streit stehenden Gründen auf 177.630 €.
In der im Verfahren 4 K 813/21 Erb durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10.8.2022 einigten sich die Beteiligten dahingehend, dass die teilweise Steuerbefreiung nach § 13d ErbStG i.H.v. 36.842 € und der Freibetrag für Pflegeleistungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG i.H.v. 20.000 € zu gewähren seien. Ferner bestand Einigkeit, dass das Guthaben bei der Bank i.H.v. 90.000 € nicht Gegenstand der Zuwendung, die vorliegend besteuert worden sei, sein könne. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärten daraufhin, den Streitkomplex „Pflegeleistungen“ nicht weiter zu verfolgen. Nach entsprechender Änderungszusage des Beklagtenvertreters erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit Bescheid vom 22.8.2022 setzte der Beklagte die Schenkungsteuer für den Erwerb vom 6.2.2017 neu auf 139.590 € fest. Gegen die Berücksichtigung der Überweisungen von 20.000 € und 70.000 € als Vorerwerbe i.S.d. § 14 ErbStG erhob die Klägerin nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens im Verfahren 4 K 2272/22 Erb Klage, die das Gericht mit Urteil vom 19.4.2023 abwies.
Für die Zahlung von 70.000 € am 2.2.2017 setzte der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22.8.2022 Schenkungsteuer i.H.v. 21.000 € fest. Dabei berücksichtigte er die Überweisung von 20.000 € als Vorerwerb. Zur Begründung berief sich der Beklagte u.a. auf § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO).
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 25.8.2022 Einspruch ein und machte Verjährung geltend. Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6.6.2023 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.6.2023 Klage erhoben, mit der sie u.a. geltend macht: Die Schenkerin habe ihr bereits 1986 zugesagt, ihr als Ausgleich für den Pflegeaufwand das Haus schenken zu wollen. Eine laufende Abrechnung sei allen Beteiligten zu aufwendig gewesen. Sie, die Klägerin, habe 2011 sogar einen Grund- und Aufbaukurs „Hospizausbildung“ besucht. Am 31.1.2017 habe die Schenkerin E.-M., die Tochter der Klägerin, beauftragt, einen Überweisungsträger an die Klägerin auszufüllen. Die Schenkerin habe diesen eigenhändig unterschrieben. Hierzu hat die Klägerin die Kopie eines Überweisungsträgers über 90.000 € vorgelegt, der auf den 31.1.2017 datiert und den Verwendungszweck „Erstattung deiner Kosten für meine Betreuung“ trägt. Die Klägerin macht weiter u.a. geltend, die 90.000 € seien daher keine Sch...