vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [V R 28/07)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ohne früheren Vorsteuerabzug dem Grunde nach ist späterer Abzug für ein Wohn-Praxis-Gebäude ausgeschlossen
Leitsatz (redaktionell)
- Bei einem Unternehmer, der ausschließlich steuerfreie Leistungen erbringt, ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG vollumfänglich ausgeschlossen.
- § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG bezweckt nur die Korrektur der Vorsteuer hinsichtlich der außerunternehmerischen Verwendung.
- Hat ein Gebäudeteil nicht zuvor zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt, kann sich aus dessen außerunternehmerischer Verwendung auch dann kein steuerpflichtiger Umsatz ergeben, wenn er als Teil des selbstgenutzten Wohn-Praxis-Gebäudes einer Ehegattengrundstücksgemeinschaft der steuerbefreiten Vermietung des Praxisteils zugeordnet wird.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 9a Nr. 1, § 4 Nr. 12a, §§ 9, 15; Richtlinie 77/388/EWG Art. 6 Abs. 2 Buchst. a
Streitjahr(e)
1996, 1997
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Ehegattengrundstücksgemeinschaft, der das Grundstück in „S-Stadt”, „F-Straße 1”, gehört. Sie bebaute dieses Grundstück in den Jahren 1996 und 1997 mit einem Wohn-Praxis-Gebäude. In der Praxis ist der Ehemann als Arzt selbstständig tätig. Die Klägerin hat die Praxisräume an den Ehemann vermietet. Im Übrigen wird das Gebäude für private Wohnzwecke von den Ehegatten genutzt.
Im Dezember 2001 gab die Klägerin für die Streitjahre Umsatzsteuererklärungen ab, in denen sie keine Umsätze, sondern ausschließlich Vorsteuerbeträge in Höhe von 70.956,40 DM (für 1996) bzw. 26.830,21 DM (für 1997) erklärte, die nicht die Praxis, sondern die privat genutzte Wohnung betreffen. Mit Bescheid vom 20.12.2001 lehnte der Beklagte die Durchführung der Veranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 1996 und 1997 ab. Nachdem der hiergegen eingelegte Einspruch erfolglos geblieben ist (vgl. Einspruchsentscheidung vom 02.06.2004), hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin macht geltend, dass sie durch die Vermietung der Praxisräume zweifelsfrei als Unternehmerin auftrete. Durch die Abgabe der Steuererklärungen habe sie dokumentiert, dass auch die private Wohnung dem Unternehmen zugeordnet werde. Gemäß § 3 Abs. 9 a Nr. 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – sei die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke steuerbar. Diese Nutzung für außerunternehmerische Zwecke könne nicht einer steuerfreien Grundstücksvermietung i. S. d. § 4 Nr. 12 a UStG gleichgestellt werden. Der Vorsteuerabzug sei deshalb nicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 UStG ausgeschlossen (Hinweis auf Europäischen Gerichtshof – EuGH –, Urteil vom 08.05.2003, Rs. C 269/00 – Seeling –, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2004, 378, und Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 24.07.2003, V R 39/99, BStBl. II 2004, 371). Die Lösung der Finanzverwaltung, wonach der Vorsteuerabzug betreffend den außerunternehmerisch genutzten Gebäudeteil davon abhängig gemacht werde, ob im Übrigen eine steuerpflichtige unternehmerische Tätigkeit gegeben sei, sei nicht sachgerecht. Die Beurteilung der für außerunternehmerische Zwecke genutzten Gebäudeteile werde in unzulässiger Weise von der weiteren Gebäudenutzung abhängig gemacht; eine „Abhängigkeitstheorie” dieser Art existiere jedoch nicht. Die unentgeltliche Wertabgabe sei umsatzsteuerbar auf Grund der Zuordnung zum Unternehmensvermögen. Daraus resultiere eine umsatzsteuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe, welche dann auch zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtige. Die insoweit eindeutige Rechtsprechung des EuGH und des BFH werde von der Verwaltung missachtet.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 17.12.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 02.06.2004 bezüglich der Festsetzung der Umsatzsteuer 1996 und 1997 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für die Jahre 1996 und 1997 erklärungsgemäß festgesetzt wird,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung des Beklagten verkenne die Klägerin, dass nach der geänderten Rechtsprechung (Folgeurteil des BFH vom 24.07.2003, V R 39/99, a. a. O., zum EuGH-Urteil vom 08.05.2003 Rs. C-269/00 – Seeling –, a. a. O.) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstücks/Gebäudeteils für Zwecke außerhalb des Unternehmens nicht in jedem Fall eine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe sei. Gemäß § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG sei die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke nur steuerbar, wenn der Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt habe. Da die Ehegattengemeinschaft durch die Vermietung der Praxisräume an den Ehemann ausschließlich steuerfreie Umsätze erziele, sei eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht gegeben, so dass gemäß § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG die Nutzung des Gebäudes für außerunternehmerische Zwe...