Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsicht der Erben in die Steuerfahndungsakte des Erblassers für außersteuerliche Zwecke
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach Abschluss des Straf- und Bußgeldverfahrens ist für die gerichtliche Überprüfung von Verwaltungsakten der Steuerfahndungsbehörde der Finanzgerichtsweg gegeben. Dies gilt auch für die Einsicht in Ermittlungsakten.
2. Die Steuerfahndungsbehörde ist ohne verbleibenden Ermessensspielraum verpflichtet, den Erben eines verstorbenen Steuerpflichtigen zum Zwecke der Aufklärung des Verbleibs des Erblasservermögens Einsicht in die dessen Kapitaleinkünfte betreffende Ermittlungsakte zu gewähren.
3. Im Falle der Zusammenveranlagung steht diesem Einsichtsrecht auch nicht die Offenbarung der die Ehefrau des Erblassers betreffenden Erkenntnisse entgegen.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 101 S. 1; EGGVG § 23 Abs. 1; AO § 30 Abs. 2 Nr. 1, § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2; EStG § 26 Abs. 1, § 26b
Tatbestand
Die Kläger sind Abkömmlinge und - neben Herrn „AY"- Erben des am 30.12.1991 verstorbenen „WY”.
„WY” war seit 1974 in zweiter Ehe mit Frau „EY”, verwitwete „R” , verheiratet.
Die Kläger streiten mit dem Beklagten über die Einsichtnahme in eine Steuerfahndungsakte des Beklagten.
Der Beklagte leitete 1990 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen „WY” und seine Ehefrau ein, und zwar wegen des Verdachtes, in den Jahren 1976 bis 1988 erhebliche Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung nicht erklärt zu haben. Die wesentlichen Feststellungen des Ermittlungsverfahrens sind im Bericht vom 05.06.1991 niedergelegt worden. Danach wurden aufgrund von Durchsuchungsbeschlüssen bei Kreditinstituten zahlreiche Sparbriefe, Sparkonten, festverzinsliche Wertpapiere und Festgeldkonten ermittelt. Eine nähere Spezifizierung der Entwicklung dieser Kapitalanlagen enthält der Bericht nicht. Als Ergebnis der Ermittlungen wurden gegen die Eheleute „Y” , die für die Jahre 1976 bis 1988 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, Änderungsbescheide zur Einkommensteuer mit insgesamt ca. 19.400,00 DM Mehrsteuern erlassen.
Mit Schreiben vom 03.01.1995 begehrten die Kläger vom Beklagten, daß dieser die einzelnen Kapitalanlagen und ihre Entwicklungen benennen sollte. Dies wurde unter Hinweis auf das Steuergeheimnis durch Bescheid vom 06.01.1995 abgelehnt.
Mit ihrer Beschwerde vom 18.01.1995 trugen die Kläger folgendes vor: Das Steuergeheimnis stehe der begehrten Offenbarung nicht entgegen. § 30 Abgabenordnung - AO - verwehre nur die unbefugte Offenbarung der Verhältnisse eines Dritten. Diese Voraussetzungen seien bezüglich des verstorbenen „WY” nicht erfüllt, denn bei ihnen - den Klägern - handele es sich um die Rechtsnachfolger und damit nicht um Dritte im Sinne des § 30 A0. „EY” habe zudem durch das gemeinsame Auftreten mit ihrem Ehemann im Rahmen des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auf den Schutz durch das Steuergeheimnis verzichtet. Das Ergebnis der steuerstrafrechtlichen Ermittlungen lasse ein Kapitalvermögen des verstorbenen „WY” in Höhe von rund 300.000,00 DM vermuten, hiervon seien bei Anfall der Erbschaft lediglich noch etwa 20.000,00 DM vorhanden gewesen. Für die Erben gelte es, den Verbleib des Vermögens aufzuklären. Der Bericht des Beklagten vom 05.06.1991 gebe insoweit nichts her und sei - so habe man ihnen von dritter Seite mitgeteilt - vermutlich falsch. Der Sachverhalt lasse sich für die Erben nur durch die Erteilung der Auskunft oder aber durch die Gewährung von Akteneinsicht aufklären.
Die Beschwerde der Kläger wurde durch Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 24.04.1995 als unbegründet zurückgewiesen: Ein Akteneinsichtsrecht nach §§ 385 AO, 147 StPO bestehe nur für den Verteidiger des Beschuldigten; die Kläger seien jedoch nicht Beschuldigte in einem Strafermittlungsverfahrens gewesen. Die Abgabenordnung kenne kein allgemeines Recht auf Akteneinsicht; der Steuerpflichtige habe lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Antrages auf Akteneinsicht. Im vorliegenden Fall führe die Ermessensbetätigung zur Versagung der Akteneinsicht, da § 30 AO entgegenstehe. Die Kläger seien zwar Erben des verstorbenen Steuerpflichtigen „WY” , aber das strafrechtliche Ermittlungsverfahren habe sich auch gegen „EY” gerichtet. Eine Offenbarung der in der Steuerfahndungsakte befindlichen Erkenntnisse wäre bereits gegenüber dem Erblasser zulässig gewesen. Zwar seien die Eheleute „Y” in den Jahren 1976 bis 1988 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden, eine zulässige Offenbarung von Steuerverhältnissen an den einen Gesamtschuldner beschränke sich aber auf die Vorgänge, die für die Zusammenveranlagung relevant seien. Einzelheiten der Einkunftsermittlung des anderen Gesamtschuldners seien jedoch von der Offenbarungsbefugnis nicht gedeckt. Die Akten des Beklagten enthielten Einzelheiten, wie die Einkünfte der Eheleute „Y” ermittelt worden seien. Ohne Zustimmung der Frau „Y” sei eine Akteneinsicht nicht mö...