vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [IX R 23/23)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Klageerhebung: Pflicht zur Nutzung des beSt vor Zugang des Registrierungsbriefs – Nutzung des Fast-Lane-Verfahrens – Mitwirkungspflicht des Steuerberaters – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Versäumung der Antragsfrist – Wegfall des Übermittlungshindernisses im Zeitpunkt der möglichen Registrierung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) in finanzgerichtlichen Verfahren besteht auch dann ab dem 01.01.2023, wenn ein Steuerberater zum Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Registrierungsbrief für das beSt noch nicht erhalten hatte.
  2. Um dieser Verpflichtung zu genügen, muss ein Steuerberater die Möglichkeit der Priorisierung der Registrierung im sog. Fast-Lane-Verfahren zu nutzen.
  3. Wird ein Steuerberater so kurzfristig mit der Klageerhebung beauftragt, dass er auch im Falle der sofortigen Einleitung des Fast-Lane-Verfahrens die Klage nicht fristgemäß per beSt erheben kann, rechtfertigt die darin liegende unverschuldete Fristüberschreitung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
  4. Die hierfür geltende zweiwöchige Antragsfrist beginnt in dem Zeitpunkt, zu dem bei unverzüglicher Nutzung des Fast-Lane-Verfahrens die Registrierung für das beSt ermöglicht worden und damit das Hindernis für die Übermittlung der Klageschrift als elektronisches Dokument weggefallen wäre.
 

Normenkette

FGO § 52a Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 52d Sätze 2-3, § 56 Abs. 1-2, § 155 S. 1; ZPO § 85 Abs. 2; StBerG § 86 Abs. 2 Nr. 11, § 86c Abs. 1, § 86d Abs. 1 S. 1, Abs. 6, § 157e GG Art. 19 Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist die Wirksamkeit der Klageerhebung per Fax.

Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betreibt ein Lebensmittelgeschäft. Die Eheleute erzielen außerdem Vermietungseinkünfte.

Sie werden seit Anfang 2021 durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten, einen Steuerberater, vertreten. Das beklagte Finanzamt (FA) schätzte mangels Abgabe der Einkommensteuererklärung 2019 die Besteuerungsgrundlagen. Der Schätzbescheid vom 01.10.2021 erging ohne Vorbehalt der Nachprüfung.

Gegen ihn legten die Kläger Einspruch ein und reichten die Einkommensteuererklärung nach. Diese wurde von der Kanzlei B. erstellt. Sie erklärten (u.a.) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 5.406 EUR.

Im Einspruchsverfahren kündigte das FA an, dass es beabsichtige, Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 485.000 EUR anzusetzen, und wies auf die Möglichkeit einer Verböserung hin. Es änderte den Einkommensteuerbescheid 2019 am 04.08.2022 und setzte die Einkommensteuer auf 321.889 EUR herauf. Dabei berücksichtigte es Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 480.906 EUR. Außerdem erkannte es Spenden mangels Bescheinigung nicht an.

Mit Einspruchsentscheidung vom 16.12.2022 setzte das FA die Einkommensteuer auf 144.015 EUR herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Es ging nunmehr von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 81.001 EUR aus. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthält Hinweise auf §§ 52a und 52d der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Einspruchsentscheidung wurde dem Prozessbevollmächtigten am 20.12.2022 mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung (Bl. 11 f. d.A.) Bezug genommen.

Der Prozessbevollmächtigte ist Mitglied der Steuerberaterkammer Düsseldorf. Diese hatte mit E-Mail vom 15.09.2022 ihre Mitglieder, deren E-Mail-Adresse ihr vorlag, darüber informiert, dass es nicht möglich sein werde, die Steuerberaterplattform und das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) allen Berufsträgern und Berufsausübungsgesellschaften zum 01.01.2023 zur Verfügung zu stellen, vielmehr würden die zur Registrierung erforderlichen Briefe mit dem Registrierungscode in fünf Tranchen und alphabetischer Reihenfolge (der Namen) voraussichtlich innerhalb der ersten drei Monate des Jahres 2023 versandt. Weiter heißt es (auszugsweise):

„… Folglich wird Anfang Januar 2023 lediglich einem Teil der Berufsangehörigen ein beSt betriebsbereit zur Verfügung gestellt werden.

Für Berufsträger, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden sind, besteht daher die Möglichkeit, sich bereits im Vorfeld der Versendung der Registrierungsbriefe für die Priorisierung, die sog. „Fast Lane“, anzumelden. Dies ist freiwillig. Haben Sie das erfolgreich erledigt, werden Sie bereits Anfang Januar 2023 Ihren für die Registrierung erforderlichen Brief und damit die Möglichkeit, über das beSt Nachrichten zu versenden, erhalten.

Selbstverständlich unterliegen Sie erst ab der Möglichkeit der Erstregistrierung - und damit ab Zustellung des Registrierungsbriefes - der aktiven Nutzungspflicht. In Konsequenz aus der zeitlich gestreckten Registrierung wird dem Berufsstand in Gänze ein sicherer Übermittlungs...

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