Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessenszweck bei Einkommensteuererlass gem. § 50 Abs. 7 EStG gegenüber beschränkt steuerpflichtiger ausländischer Kulturvereinigung (Schweizer Tanzensemble)
Leitsatz (redaktionell)
1. Mindestvoraussetzung für die Zweckmäßigkeit eines Steuererlasses aus volkswirtschaftlichen Gründen nach § 50 Abs. 7 EStG ist, dass die Tätigkeit des beschränkt Steuerpflichtigen sich überhaupt auf die volkswirtschaftliche Entwicklung auswirken kann.
2. Eine entsprechende Prognose ist bei kulturellen und sportlichen Veranstaltungen auf der Grundlage der zu erwartenden Besucherzahlen, dem damit korrespondierenden verstärkten privaten Konsum sowie der durch die Veranstaltung ausgelösten privaten Investitionen anzustellen. Die wirtschaftliche Auswirkung der Veranstaltung darf nicht lediglich lokal begrenzt sein.
3. Die Regelung des BMF-Schreibens vom 20.07.1983 (BStBl I 1983, 382), dass ausländische Kulturvereinigungen, soweit eine Freistellung nicht bereits aufgrund eines DBA zu erfolgen hat, von der inländischen Einkommensteuer nach § 50 Abs. 7 EStG freizustellen sind, ist nicht vom Zweck des Gesetzes gedeckt.
Normenkette
EStG § 49 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 50 Abs. 7, § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 2; DBA Schweiz Art. 17 Abs. 2; FGO § 101 S. 1, § 102
Streitjahr(e)
1999
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte gemäß § 50 Abs. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) 1999 verpflichtet ist, einen Steuerabzugsbetrag im Sinne des § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG in der Fassung des Artikel 1 Nr. 54 Buchstabe a des Gesetzes vom 24.03.1999 ganz oder teilweise zu erlassen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Entscheidung des Beklagten, den Erlass der gemäß § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG einzubehaltenden Einkommensteuer für die Auftritte des Klägers in Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom abzulehnen, ist rechtmäßig.
Die Erlassentscheidung gemäß § 50 Abs. 7 EStG ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung, die gemäß § 102 FGO grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt. Die Erlassentscheidung darf vom Finanzgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie rechtswidrig ist, weil die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht einwandfrei und erschöpfend ermittelt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dabei darf das Finanzgericht nicht die allein maßgeblichen Verwaltungserwägungen durch eigene Erwägungen ersetzen. Für die gerichtliche Prüfung sind diejenigen tatsächlichen Verhältnisse maßgebend, die der Behörde im Zeitpunkt der letzten Ermessensausübung bekannt waren oder bekannt sein mussten (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 14/95, BFHE 183, 21, BStBl II 1997, 642). Gleichwohl kann das Gericht ausnahmsweise gemäß § 101 Satz 1 FGO eine Verpflichtung zum Erlass aussprechen, wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (vgl. zur sog. Ermessensreduktion auf Null BFH-Urteil vom 25. November 1997 IX R 28/96, BFHE 185, 94, BStBl II 1998, 550).
Gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sind die Einkünfte des Klägers aus den Tanzveranstaltungen beschränkt steuerpflichtig. Steuerschuldner sind die Mitglieder des Ensembles. Auch wenn – wie im Streitfall – die Vereinbarung über die künstlerischen Auftritte im Inland mit einer Künstlergruppe abgeschlossen wurde, besteht die Besonderheit, dass diese zivilrechtlich zwar Gläubiger der Vergütung im Sinne des § 50 a Abs. 5 Satz 2 EStG ist, nach der Systematik des EStG aber nicht beschränkt steuerpflichtig sein kann (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Juli 1995 I B 200/94, BFH/NV 1996, 311). Gemäß § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen, die Einkünfte durch die Ausübung einer Tätigkeit als Künstler erzielen, im Wege des Steuerabzuges erhoben. Für das Honorar der Mitglieder des Schweizer Tanzensembles war somit grundsätzlich die Einkommensteuer durch Steuerabzug zu erheben.
Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte des Klägers steht gemäß Art. 17 DBA Deutschland-Schweiz der Bundesrepublik Deutschland zu. Zwar wurden die Veranstaltungen auch mit öffentlichen Mitteln des Ansässigkeitsstaates gefördert. Diese Mittel erreichten jedoch keinen „erheblichen Umfang” im Sinne des Art. 17 Abs. 2 DBA Deutschland-Schweiz, da sie weniger als 1/3 der Gesamtmittel ausmachten (vgl. Kempermann in Flick-Wassermeyer-Wingert-Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz, Art. 17 Tz. 16).
Gemäß § 50 Abs. 7 EStG können die obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen beauftragen Finanzbehörden mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil erlassen oder mit einem Pauschbetrag festsetzen, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder eine gesonderte Berechnung der Einkünfte bes...