Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [V R 30/06)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
„Zuschüsse” für die Entsorgung und Trocknung von Klärschlamm sind überwiegend umsatzsteuerpflichtiges Entgelt, da insoweit keine hoheitliche Abwasserentsorgung vorliegt
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Abgrenzung zwischen hoheitlichem und unternehmerischem Bereich einer gesetzlich mit der Abwasserreinigung beauftragten Körperschaft des öffentlichen Rechts ist zwischen der Abwasserbeseitigung und der anschließenden - nicht Hoheitsträgern vorbehaltenen - Abfallbeseitigung der Klärschlämme zu unterscheiden.
- Die hoheitliche Tätigkeit im Rahmen der Abwasserbeseitigungspflicht endet mit der Entwässerung der angeschwemmten Schlämme auf einen Wasseranteil von 40 %, während die sich hieran anschließende Aufkohlung und thermische Trocknung dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen ist.
- Wird die Körperschaft des öffentlichen Rechts in diesem nicht hoheitlichen Bereich selbst wirtschaftlich tätig und erbringt Umsätze an ihre Tochtergesellschaft, so empfängt sie die von der Tochtergesellschaft an sie gegen Gewährung eines Betriebskostenzuschusses erbrachten Entsorgungsleistungen in ihrem unternehmerischen Bereich.
- Ein derartiger Zuschuss wird im Rahmen einer dann möglichen umsatzsteuerlichen Organschaft für nicht steuerbare Innenleistungen gewährt.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, § 3 Abs. 12 S. 2, § 10 Abs. 1 S. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 2; WHG § 18a Abs. 1, § 18 a Abs. 2; LWG NW § 51 Abs. 3 S. 1, § 54 Abs. 1; AbfG § 1 Abs. 1, 3 Nr. 5, §§ 3, 15 Abs. 6; BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 3; AbfKlärV § 2 Abs. 1 S. 1; RL 77/388/EWG Art. 4 Abs. 4
Streitjahr(e)
1986
Nachgehend
Tatbestand
Umstritten ist die umsatzsteuerliche Behandlung des im Streitjahr 1986 an die Klägerin von ihrer Mehrheitsgesellschafterin gezahlten Betrages zum Ausgleich des von ihr erwirtschafteten Verlustes.
Die 1983 von der „XY-GmbH” „...” gegründete Klägerin, eine GmbH, war mit dem Betrieb einer gepachteten Trocknungsanlage zur Herstellung von Brennstoffen aus kohlehaltigen Klärschlämmen des Flusses „E” und dem Vertrieb der auf diese Weise hergestellten Brennstoffe unternehmerisch tätig.
An ihr waren im Streitjahr 1986 die „Fluss-”genossenschaft – „FlussG” – mit 510 000 DM (51%) und die „XY-GmbH” noch mit 490 000 DM (49%) beteiligt. Die „FlussG” ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die zur Regelung der Vorflut und zur Abwasserreinigung im Gebiet des Flusses „E” sowie zur Unterhaltung und zum Betrieb der ausgeführten Anlagen errichtet wurde (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes betreffend Bildung einer Genossenschaft zur Regelung der Vorflut und zur Abwässerreinigung im „Fluss”Gebiet vom 14. Juli 1904, Gesetzes-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten – PrGS – 1904, 175 in der im Streitjahr 1986 geltenden Fassung des Gesetzes vom 26. Juni 1984, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen – GVBl NW – 1984, 369 – „Fluss”GG –).
Aufgrund der der „FlussG” gemäß dem „Fluss”GG zugewiesenen Aufgaben fielen dort jährlich große Mengen Klärschlamm an, die sie in den Jahren vor 1986 entweder mit erheblichen Verlusten zum Zwecke der Verbrennung in Kraftwerken von Gewerbebetrieben hatte abholen lassen oder Landwirten zur Düngung ihrer Felder zur Verfügung gestellt hatte.
Um die Entsorgung der Klärschlämme in der kostengünstigsten Form zu gewährleisten, entschloss sich die „FlussG” im Jahr 1985, die zuvor von der „XY-GmbH” gehaltene Mehrheitsbeteiligung und die Geschäftsleitung der Klägerin zu übernehmen, um unter Einsatz der Klägerin aus den Klärschlämmen der „E” Brennstoff für die Zementindustrie herzustellen und gleichzeitig die Entsorgung der Klärschlämme sicher zu stellen.
Aus diesem Grunde wurde zwischen der „XY-GmbH” – die bis dahin noch Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin war – und der „FlussG” am 26. November 1985 eine „Grundsatzvereinbarung” hinsichtlich der Errichtung und des Betriebs einer Trocknungsanlage geschlossen. Nach der Präambel in dieser Vereinbarung schlossen sich die Beteiligten zusammen, um durch die Errichtung und den Betrieb dieser Anlage die bessere Vermarktung und Entsorgung des „E-”schlammes sicher zu stellen.
Entsprechend dieser Vereinbarung sollte die Klägerin die bereits bestehende Trocknungsanlage von der Firma „ABC-GmbH” „...” pachtweise übernehmen. Auch an der „ABC-GmbH” waren ausschließlich die Gesellschafter der Klägerin mit Anteilen von 80% („FlussG”) bzw. 20% („XY-GmbH”) beteiligt und auch hinsichtlich dieser Firma oblag der „FlussG” die Betriebsführung.
Anlage 6 der Grundsatzvereinbarung vom 26. November 1985 enthielt Regelungen zum Schlammverkauf und zur Verlustvermeidung sowie zur Verlustabdeckung. Soweit danach trotz der vorab vereinbarten Brennstoffpreise und nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Kostendeckung die Selbstkosten der Klägerin nicht gedeckt würden, sollten die Verluste zunächst durch Auflösung stiller Reserven aufgefangen...