Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerhinterziehung, Festsetzungsverjährung und Abzug von Einkommensteuerverbindlichkeiten bei Vermögensteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Unabhängig von der Strafbarkeit einer Vermögensteuerhinterziehung steht die Verfassungswidrigkeit des bis zum 31.12.1996 weiter anwendbaren VStG der Verlängerung der Festsetzungsfrist für die hinterzogene Steuer auf 10 Jahre nicht entgegen.
  2. Einkommensteuerverbindlichkeiten für einen vor dem Stichtag der Vermögensteuerfestsetzung endenden Veranlagungszeitraum können nicht als Schuldposten vom Rohvermögen abgezogen werden, wenn sie nicht auf der Verwirklichung einkommensteuerlich relevanter Tatbestände während des betreffenden Veranlagungszeitraums, sondern auf einer späteren Berichtigung der Bilanz für diesen ersten noch offenen Feststellungszeitraum beruhen.
 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 S. 2 2. HS, § 370 Abs. 1; VStG 1974 § 10 Nr. 1; StGB § 2 Abs. 3; VStG § 4 Nr. 1; BewG a.F. § 105 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 118 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 4 Abs. 1, §§ 15, 36 Abs. 1, § 38

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung von Einkommensteuerverbindlichkeiten bei der Ermittlung des Gesamtvermögens sowie die Berechtigung des beklagten Finanzamts, in den Jahren 1994 und 1995 noch eine Neuveranlagung auf den 01.01.1985 durchzuführen und geänderte Vermögensteuerbescheide auf den 01.01.1986 und 01.01.1989 zu erlassen.

Der Kläger betreibt das Klageverfahren als Rechtsnachfolger seines am "-" 1993 verstorbenen Vaters, Herrn "A". Dieser war bis zu seinem Tod Komplementär und Geschäftsführer der "X"-KG. Mit Schreiben vom 9. Mai 1994 teilte die für die KG tätige Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft "W" dem beklagten Finanzamt mit, dass in den Bilanzen der KG seit den 50iger Jahren der Warenbestand kontinuierlich zu niedrig angesetzt worden sei. Seit etwa 1984 hätten die Bilanzwerte schätzungsweise jeweils um ca. 700.000,00 DM zu niedrig gelegen. Angesichts der gleich bleibenden Ertragssituation könne angenommen werden, dass die Bestandsminderung seither in ihrem Wert unverändert geblieben sei. Diese Erklärung werde aus Anlass des Todes des bisherigen Komplementärs "A" abgegeben. Dessen Sohn, der Kläger, habe alles unternommen, um die Inventur zum 31.12.1993 zutreffend zu erstellen.

Den aufgrund einer Berichtigung des fehlerhaften Bilanzansatzes unter Berücksichtigung einer Gewerbesteuerrückstellung auf 575.575,00 DM ermittelten Mehrgewinn erfasste der Beklagte - im Einvernehmen mit der KG - in einer am 31. Oktober 1994 geänderten einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1984. Der Mehrgewinn sei im Wege einer Berichtigung der fehlerhaften Bilanz in dem Feststellungszeitraum zu erfassen, dessen Feststellung nach den Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs berichtigt oder geändert werden könne. Dies sei aufgrund der Selbstanzeige vom 9. Mai 1994 der Feststellungszeitraum 1984. Der Beklagte änderte in der Folge am 19. Dezember 1994 den Einkommensteuerbescheid 1984 des "A" und erhöhte die Einkommensteuer 1984 um 207.476,00 DM. Ferner änderte er die Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens der "X"-KG auf den 01.01.1985, 01.01.1986 sowie 01.01.1988 bis 01.01.1991 und erhöhte die Einheitswerte entsprechend. Sämtliche Änderungsbescheide wurden bestandskräftig.

Am 28. Dezember 1994 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger des verstorbenen "A" die hier angefochtenen geänderten Vermögensteuerbescheide auf den 01.01.1986 und 01.01.1989 und führte mit Bescheid vom 22. Februar 1995 auf den 01.01.1985 eine Neuveranlagung durch. Darin berücksichtigte er die auf "A" entfallenden höheren Anteile am Einheitswert des Betriebsvermögens der "X"-KG, ließ die Einkommensteuernachzahlungsforderung 1984 in Höhe von 207.476,00 DM jedoch unberücksichtigt. Dagegen legte der Kläger Einsprüche ein, die mit Entscheidung vom 24. Januar 1996 als unbegründet zurückgewiesen wurden. Voraussetzung für den Abzug von Steuerschulden bei der Ermittlung des Gesamtvermögens sei, dass der Steuerpflichtige am jeweiligen Stichtag bereits mit einer Belastung habe rechnen können. Da die Einkommensteuer 1984 hinterzogen worden, und dies der Finanzbehörde erst nach den streitigen Stichtagen bekannt geworden sei, komme - so der Beklagte - ein Abzug nicht in Betracht.

Mit seiner hiergegen am 20. Februar 1996 erhobenen Klage trägt der Kläger im wesentlichen vor, zu Unrecht habe der Beklagte die Einkommensteuerverbindlichkeiten 1984, soweit sie auf der Änderung des Beteiligungsgewinns beruhten, nicht gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) als Schulden vermögensmindernd berücksichtigt. Weder der Kläger noch Herr "A" hätten die Einkommensteuer 1984 hinterzogen. Unstreitig seien ab 1984 keine Veränderungen im Warenbestand mehr vorgenommen worden. Die Endwerte der Vorjahresbilanzen seien jeweils als Anfangsbestand in die folgende Bilanz übernommen worden. Die Gewinne der Jahre ab 1984 seien deshalb in zutreffender Höhe ermittelt worden. Zu diesem Ergebnis sei auch der 18....

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