rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschreitung des Entschließungsermessens bei Erlass des Lohnsteuerhaftungsbescheides und Nettolohnvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch im Falle einer Nettolohnvereinbarung ist das Entschließungsermessen bei Erlass eines Lohnsteuerhaftungsbescheides nicht dahingehend vorgeprägt, dass der Arbeitgeber bei fehlerhafter Einbehaltung der Lohnsteuer unabhängig von der (Mit-)Verursachung durch die Finanzverwaltung stets in Anspruch zu nehmen ist.
2. Stellt die Finanzbehörde keine Erwägungen zu der Einwendung an, dass die beanstandete Behandlung der bislang von der Finanzverwaltung gebilligten Praxis entsprochen habe, wird das Entschließungsermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
Normenkette
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1; AO § 5
Streitjahr(e)
1991, 1992, 1993, 1994
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die steuerliche Behandlung von Einkommensteuererstattungen bei Nettolohnvereinbarung und unbeschränkter Steuerpflicht im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens streitig.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft japanischen Rechts mit Sitz in A. Sie schloss mit ihren in Deutschland tätigen japanischen Angestellten Nettolohnvereinbarungen ab. In diesem Zusammenhang ließ sie sich aus späteren Einkommensteuerveranlagungen der Arbeitnehmer ergebende Erstattungsansprüche gegen das zuständige Finanzamt abtreten. Bei der Berechnung der monatlich anzumeldenden Lohnsteuer legte die Klägerin den um den ihr ausgezahlten Erstattungsbetrag gekürzten Nettolohn zu Grunde.
Im Jahre 1994 fand bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 01.07.1991 bis 31.07.1994 statt. Der Prüfer war der Auffassung, dass die sich aus Erstattungen ergebenden Kürzungsbeträge zu hoch angesetzt worden seien. Die Klägerin habe den Erstattungsbetrag von dem an die jeweiligen Angestellten ausgezahlten Nettolohn abgezogen und sodann den für den Lohnsteuerabzug maßgeblichen Bruttolohn nach dem in Abschnitt 122 der Lohnsteuerrichtlinien - LStR - dargestellten Verfahren ermittelt. Diese Vorgehensweise widerspreche der Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - vom 23.03.1994 S 2367 A - St 15 (Einkommensteuer-Kartei NRW § 19 Fach 2 Nr. 1000). Darin werde zwar zugelassen, dass die an den Arbeitgeber abgetretene Steuererstattung im Jahr des Zuflusses durch Minderung des Bruttoarbeitslohns berücksichtigt werden könne. Unter Verwendung von Berechnungsbeispielen werde jedoch ausdrücklich klargestellt, dass anders als bei der Rückzahlung irrtümlich überhöht gezahlten Nettolohns der Erstattungsbetrag als negative Einnahme nicht auf einen fiktiven Bruttobetrag hochzurechnen sei, da es sich bei der Einkommensteuererstattung lediglich um die Rückzahlung der entsprechenden Steuer auf den Nettolohn handele. Der Arbeitgeber könne daher den Rückfluss von Arbeitslohn nur durch eine Minderung des laufenden Bruttoarbeitslohns berücksichtigen.
Entsprechend den Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte (das Finanzamt - FA -) am 03.07.1995 einen Haftungsbescheid, in welchem er die Klägerin nach § 42 d Einkommensteuergesetz - EStG - als Haftende für Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag im Gesamtbetrag von 127.061 DM in Anspruch nahm.
Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, die auf der OFD-Verfügung vom 24.03.1994 basierenden Berechnungen im Haftungsbescheid widersprächen den Regelungen des Abschnittes 122 LStR, durch die sich die Finanzverwaltung selbst gebunden habe. Dort heiße es wörtlich: „Die Lohnsteuer ist aus dem Bruttoarbeitslohn zu berechnen, der nach Abzug der Lohnsteuer den ausgezahlten Nettobetrag ergibt.” Die OFD führe in der zitierten Verfügung unter Punkt 3 ein Berechnungsbeispiel ausgehend von einem monatlichen Nettobezug von 10.000 DM, einer Einkommensteuererstattung von 3.000 DM sowie unter Zugrundelegung der Steuerklasse III/1 an. Ohne Berücksichtigung der Einkommensteuererstattung ergebe sich danach eine Lohnsteuer von 3.103,83 DM, so dass sich unter Zugrundelegung des Nettobezuges von 10.000 DM ein Bruttoarbeitslohn von 13.103,83 DM ergebe. Diese Zahlenwerte stimmten noch mit dem Rechnungsschema der zitierten Passage der Lohnsteuerrichtlinien überein. Dies sei aber nicht mehr der Fall, wenn man den weiteren Ausführungen der OFD zur Berücksichtigung des Erstattungsbetrages folge. Nach dieser Verfügung sei der Bruttoarbeitslohn um die Einkommensteuererstattung zu kürzen, so dass sich nunmehr ein Bruttoarbeitslohn von 10.103,83 DM ergebe, der einen Lohnsteuerbetrag von 2.093 DM auslöse. Ziehe man nun den Lohnsteuerbetrag vom Bruttolohn ab, erhalte man einen Nettolohn von 8.064,83 DM (richtig: 8.010,83 DM). Tatsächlich sei aber ein Nettolohn von 10.000 DM gezahlt worden. Dies zeige, dass die genannte Verfügung der OFD den Lohnsteuerrichtlinien widerspreche. Unabhängig davon stehe ihrer Inanspruchnahme als Arbeitgeberin ein nach Treu und Glauben zu berücksichtigendes früheres Verhalten der Finanzverwaltung entgegen. So habe u.a. am 10.06.1983 eine Schulungsmaßnahme in den Räumlichkeiten der B...