rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch für volljährigen, ausbildungswilligen, aber aufgrund Operation nach dem Abitur arbeitsunfähigen Sohn. Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
Will der Sohn nach dem Abitur ernsthaft eine Ausbildung beginnen, muss er sich aber zuvor einer bisher noch nicht durchführbaren Operation unterziehen, in deren Folge er mehrere Monate arbeitsunfähig ist, und hat er im Hinblick auf die Operation nach einer Absage vorerst auf weitere Bewerbungen verzichtet, so steht den Eltern gleichwohl nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG Kindergeld zu.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 63 Abs. 1
Tenor
Unter Aufhebung des Bescheides vom 30. September 1996 und der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 1997 wird der Beklagte verpflichtet, Kindergeld für den Sohn … ab dem 1 – Juli 1996 festzusetzen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Kindergeld für den am 1. November 1975 geborenen Sohn der Klägerin für die Zeit nach dem 30. Juni 1996.
Der Sohn „S.” der Klägerin zog sich im Jahre 1985 eine Verletzung zu, infolge derer sich im Laufe der Jahre eine einseitige Beinverkürzung von 7 cm ergab. Am 21. Juni 1996 bestand „S.” das Abitur. Bereits im März 1996 hatte er sich, nachdem er eine Lehrstellenabsage für eine Ausbildung zum Krankengymnasten an der staatlich anerkannten Lehranstalt .. erhalten hatte, entschlossen, sich einer Beinoperation, die bis dahin wegen des noch anhaltenden Körperwachstums nicht möglich war, zu unterziehen. Die Operation, in deren Folge „S.” mehrere Monate bettlägerig und nach einer ärztlichen Bescheinigung vom 19. November 1996 völlig immobil war, fand am 15. August 1996 statt.
Die Klägerin beantragte für die Zeit nach Beendigung der Schulausbildung weiterhin Kindergeld für ihren Sohn. Eine entsprechende Festsetzung lehnte das beklagte Arbeitsamt als Familienkasse mit Bescheid vom 30. September 1996 ab. Das sich anschließende Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Mit ihrer am 25. Februar 1997 erhobenen Klage führt die Klägerin aus, ihr Sohn müsse gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Kindergeldgewährung berücksichtigt werden. Er sei noch keine 27 Jahre alt und habe seine Berufsausbildung nach der Absage vom 3. März 1996 durch die Lehranstalt .. mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen bzw. fortsetzen können. Zudem sei er momentan außerstande, sich selbst zu unterhalten. Wie hoch der Grad der Behinderung nach Abschluß der ärztlichen Behandlung sein werde, sei derzeit noch nicht absehbar. Im Februar 1997 habe sich „S.” erneut bei der „Lehranstalt ..” um einen Ausbildungsplatz als Krankengymnast für das im Oktober beginnende Ausbildungsjahr beworben, jedoch leider wiederum eine Absage erhalten. Deshalb bemühe er sich zur Zeit um einen Studienplatz im Fach Medizin.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 30. September 1996 und der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 1997 den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld für den Sohn ab dem 1. Juli 1996 festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung trägt er vor, der Sohn der Klägerin habe die Ausbildung nicht mangels eines Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können, sondern er sei aufgrund seines Gesundheitszustandes dazu nicht in der Lage gewesen. Die Ablehnung der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz bei der „Lehranstalt ..” ändere daran nichts, da die Berücksichtigung eines Kindes ohne Ausbildungsplatz davon abhänge, daß es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen sei, eine Berufsausbildung zu beginnen. Derartige (Eigen-)Bemühungen habe „S.”, nachdem im März 1996 der Operationstermin für August festgestanden habe, nicht mehr unternommen.
Die krankheitsbedingte Unfähigkeit, eine Ausbildung zu beginnen oder fortzusetzen, sei nicht schon während eines Ausbildungsabschnitts, sondern erst im Zeitpunkt ab der Operation eingetreten. Denn „S.” habe bis zum Juni die Schule besucht und parallel dazu eine Nebentätigkeit ausgeübt. Die Krankheit sei somit zu einem Zeitpunkt eingetreten, in dem der Sohn der Klägerin sich nicht (mehr) in der Ausbildung befunden habe.
Ferner hätte „S.”, auch wenn er sich nach dem Abitur beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hätte, nicht gem. § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden können, da er aufgrund seines Gesundheitszustandes außerstande gewesen sei, eine beitragspflichtige Beschäftigung am Arbeitsmarkt auszuüben und somit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Ob er wegen einer körperlichen Behinderung künftig außerstande sein werde, sich selbst zu unterhalten, könne derzeit noch nicht beurteilt werden. Der Nachweis einer Behinderung sei jedoch grundsätzlich durch eine entsprechende Bescheinigung des Versorgungsamtes zu führen, an der es hier mangele.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Zu Unrecht hat der Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn „S...