Entscheidungsstichwort (Thema)
Schäden an eigengenutztem Wohngebäude als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Schäden, die an einem eigengenutztenWohnhaus alters- und abnutzungsbedingt entstehen, sind auch dann, wenn sie ganz oder teilweise durch Baumängel verursacht sind, nicht außergewöhnlich i. S. d. § 33 EStG.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1
Tatbestand
Die Kläger erwarben im Jahre 1975 in dem in diesem Jahr fertiggestellten Wohngebäude S-Straße in M eine im 2. Obergeschoss gelegene 98 qm große Eigentumswohnung, die sie selbst nutzen; das Wohngebäude hat 11 weitere im Kellergeschoss, Erdgeschoss, in drei Obergeschossen und im Dachgeschoss gelegene Eigentumswohnungen.
Im Jahre 1991 trat bei den Terrassen im 1. Obergeschoss und im Dachgeschoss ein Wasserschaden zu Tage, wobei Wasser in die Betondecken und -wände im 3. Obergeschoss und im Kellergeschoss eindrang. In einem Gutachten vom 05.11.1991, das die Eigentümergemeinschaft hat anfertigen lassen, heißt es in Abschnitt I.4: "Wir vermuten nach Öffnung und teilweisem Ausbau des Dacheinlaufes, dass durch Rückstau Wasser im 2-etagigen Einlauf unter der Isolierung in den Aufbau dringen kann. Da kein Gefälle-Estrich auf der Rohdecke aufgebracht wurde, kann sich unter der Isolierung das Wasser ausbreiten. Die Dampfsperre verhindert ein sofortiges Durchsickern, erst an einer Schadensstelle (Risse, Anschlüsse an aufgehendes Mauerwerk etc.) kann das Wasser mit zeitlicher Verzögerung durchdringen"; wegen der weiteren Feststellungen wird auf das von den Klägern vorgelegte Gutachten Bezug genommen.
Die Kosten der von der Eigentümergemeinschaft beschlossenen, in den Jahren 1992 bis 1994 durchgeführten Sanierung betrugen insgesamt 255.759,88 DM (105.791,83 DM Terrasse Dachgeschoss; 149.968,05 DM Terrasse 1. Obergeschoss). Zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen hatte die Eigentümergemeinschaft beschlossen, die Sanierungsaufwendungen nicht aus der bestehenden Reparaturrücklage zu bezahlen, sondern besondere, nach Quadratmetern bemessene Umlagen zu erheben. Die Kläger überwiesen die auf sie entfallenden Anteile an den Umlagen auf ein Sonderkonto der Wohnungseigentümergemeinschaft wie folgt: 01.09.1992: 8.462 DM; 19.03.1993: 269,11 DM; 31.08.1993: 11.867,04 DM; 29.12.1994: 825,29 DM.
In den Einkommensteuererklärungen für 1993 und 1994 machten die Kläger Umlagezahlungen von 7.609 DM für 1993 (= 85 v.H. von 8.952 DM) und 12.692 DM für 1994 (= 11.867,04 DM + 825,29 DM) gemäß § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Beklagte erkannte diese Beträge in den Einkommensteuerbescheiden für 1993 und 1994 vom 08.07.1994 und 06.06.1995 nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Nach Zurückweisung des Einspruchs durch Entscheidung vom 29.01.1996 haben die Kläger mit im Wesentlichen folgender Begründung Klage erhoben:
Die Voraussetzungen, die der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 06.05.1994 III R 27/92, Bundessteuerblatt II 1995, 104 für die Anerkennung solcher Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG genannt habe, seien im Streitfall erfüllt. So seien die Aufwendungen den Klägern im Zusammenhang mit ihrer eigengenutzten Eigentumswohnung, also im Zusammenhang mit einem existenziell wichtigen Bereich der Kläger, entstanden. Ferner seien realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben, da für die aufgetretenen Schäden keine Versicherungsmöglichkeit bestanden habe und auch keine Versicherung eingetreten sei. Im Gegensatz zu der Auffassung der Beklagten sei nach der genannten neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Eintritt eines unabwendbaren Ereignisses wie Brand, Hochwasser, Unwetter oder Erdbeben nicht Voraussetzung für die Anerkennung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung, da der Bundesfinanzhof die Auffassung vertrete, dass es bei der Bestimmung der Begriffe "Außerordentlichkeit" und "Zwangsläufigkeit" bei § 33 EStG keinerlei Berechtigung gebe, Naturkatastrophen mit größerer Breitenwirkung anders zu beurteilen als entsprechende "private" Katastrophen. Aus dem Umstand, dass eine Totalsanierung der beiden Terrassen erforderlich gewesen sei, und aus den in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen des Gutachtens ergebe sich, dass es sich bei den Schäden um ein unabwendbares Ereignis gehandelt habe, das zu einem Vermögensaufwand bei den Klägern geführt habe, dem sie sich wegen der Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht hätten entziehen können. Unstreitig hätten die Kläger im Jahre 1993 Aufwendungen von 12.136,15 DM und im Jahre 1994 Aufwendungen von 825,29 DM gehabt.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1993 und 1994 vom 08.07.1994 und 06.06.1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.01.1996 weitere Aufwendungen von 12.136,15 DM (1993) und 825,29 DM (1994) als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen,
für den Fall der Klageabweisung, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die streitigen Aufwendungen seien...