Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden an ausgeschiedenen Verfahrensbevollmächtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Es erscheint fraglich, ob die Regelung der AEAO zu § 122 AO Tz. 3.3.1, nach der eine Zustellung an einen gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten mit Wirkung für alle Beteiligten auch möglich ist, wenn der Verfahrensbevollmächtigte selbst Beteiligter ist und zugleich andere Beteiligte vertritt, auch auf den Fall einer einfachen Bekanntgabe nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO übertragbar ist, bei dem ein ehemaliger Feststellungsbeteiligter zugleich als Verfahrensbevollmächtigter der verbliebenen Feststellungsbeteiligten auftritt.
  2. Ein darin ggf. liegender Bekanntgabemangel gegenüber dem aus der Gesellschaft ausgeschiedenen Verfahrensbevollmächtigten würde aber jedenfalls dadurch geheilt, dass er selbst den Bescheid tatsächlich erhalten hat.
  3. Eine fehlerhafte Schätzung kann nur dann die Nichtigkeit des auf ihr beruhenden Verwaltungsakts zur Folge haben, wenn sie auf subjektiven oder objektiven Willkürmaßnahmen des FA beruht (vgl. BFH-Rspr.).
 

Normenkette

AO §§ 80, 122 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 125 Abs. 1, § 162 Abs. 1 S. 2, § 183 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1; VwZG § 7 Abs. 1 S. 3, § 8

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 04.06.2024; Aktenzeichen VIII B 32/23)

BFH (Beschluss vom 24.10.2019; Aktenzeichen VIII B 2/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Feststellungsbescheide für die Jahre 2007 bis 2009, die nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft an ihn in seiner Funktion als Verfahrensbevollmächtigter der Gesellschaft bekannt gegeben wurden, wirksam bekannt gegeben sind oder ob zur Wirksamkeit eine Einzelbekanntgabe an ihn hätte erfolgen müssen. Streitig ist des Weiteren, ob die betreffenden Feststellungsbescheide nichtig sind.

Der Kläger war bis Juni 2009 an der Personengesellschaft ”A,B,C & Partner......“ (künftig: Beigeladene) beteiligt. In den Feststellungserklärungen der Beigeladenen für die Streitjahre 2007 bis 2009 war als gemeinsame Empfangsbevollmächtigte Partner B (künftig B) bezeichnet.

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) erließ zunächst Feststellungsbescheide, die den Feststellungserklärungen entsprachen, und zwar für 2007 am 16.3.2009, geändert durch Bescheid vom 20.3.2012, für 2008 am 28.4.2010, geändert durch Bescheid vom 20.3.2012, und für 2009 am 20.3.2012. Alle Feststellungsbescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

Im Jahr 2012 begann das FA mit einer Betriebsprüfung (BP) bei der Beigeladenen, die die Streitjahre 2007 bis 2009 umfasste. Während der laufenden BP, am 28.5.2014, erteilte die zur Vertretung der Beigeladenen befugte B dem Kläger eine Vollmacht, die Beigeladene im Zusammenhang mit der bei ihr durchgeführten BP zu vertreten. Die Vollmacht beinhaltete auch die Befugnis, Zustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen. Die BP wurde mit BP-Bericht vom 19.9.2014, auf den wegen der darin getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, abgeschlossen.

Am 9.12.2014 erließ das FA nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Feststellungsbescheide für die Streitjahre. Die Bescheide waren an den Kläger als Empfangsbevollmächtigter für die Beigeladene adressiert und trugen den Zusatz, dass die Bescheide mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten ergehen.

Mit zwei Schreiben vom 5.1.2015 und vom 30.1.2015 teilte der Kläger dem FA mit, dass die ihm erteilte Vollmacht nur für die in der Beigeladenen verbliebenen Gesellschafter gelte, nicht jedoch für einen ausgeschiedenen Partner, also ihn selbst. Insoweit werde der Bekanntgabe gem. § 183 Abs. 3 AO widersprochen. Er bitte darum, die betreffenden Bescheide unter seiner Privatanschrift gesondert bekanntzugeben.

Diesen Antrag auf Einzelbekanntgabe lehnte das FA am 1.7.2015 ab. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 2.11.2015 als unbegründet zurückwies. Die vom Kläger im Anschluss erhobene (Leistungs-)Klage wies das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 5.5.2017 13 K 3706/15 F wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ab. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei nicht gegeben, wenn der Kläger sein Ziel auf wesentlich einfacherem Weg, insbesondere im Wege einer Anfechtungsklage erreichen könne, der gegenüber die allgemeine Leistungsklage subsidiär sei. Der Kläger könne im Streitfall die ergangenen Feststellungsbescheide anfechten, ohne dass sie ihm persönlich bekanntgegeben werden müssten.

Mit Schreiben vom 5.5.2017 legte der Kläger Einspruch gegen die Feststellungsbescheide 2007 bis 2009 vom 9.12.2014 ein und beantragte gleichzeitig, ihm diese unter seiner Privatanschrift gesondert bekanntzugeben. Ein solcher Einspruch sei, so die Auffassung des Klägers, nicht verfristet, da ihm die Bescheide bislang nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden seien. Insofern habe auch keine Rechtsbehelfsfrist zu laufen begonnen.

Das FA verwarf den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20.11.2017 als unzulässig. Die Einspruchsfrist habe...

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