Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Änderung des Feststellungsbescheids trotz behördlicher Pflichtverletzung bei gleichzeitigem Verstoß des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflicht

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Anteil der für die Kürzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4 a EStG unschädlichen Investitionszinsen an den insgesamt angefallenen Schuldzinsen ist eine neue Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.
  2. Vor dem Hintergrund der in den Jahren bis 2002 noch weitestgehend ungeklärten neuen Begriffsbestimmungen des § 4 Abs. 4a EStG durfte sich die Finanzbehörde nicht darauf verlassen, dass die Angabe eines glatten Betrages in der Bilanz die Rechtsfrage nach der gemäß § 4 Abs. 4a EStG dem Gewinn hinzuzurechnenden Summe rechtlich zutreffend beantwortete und weitere Ermittlungsmaßnahmen damit verzichtbar waren.
  3. Ungeachtet dieser Pflichtverletzung kann die Finanzbehörde ohne Verstoß gegen Treu und Glauben die ergangenen Feststellungsbescheide aufgrund der erst nachträglich bekannt gewordenen Höhe der Investitionszinsen zum Nachteil des Steuerpflichtigen ändern, wenn dieser seinerseits gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen hat, indem er in der von einem Steuerberater erstellten Erklärung absichtlich die Schätzung des Gewinnhinzurechnungsbetrages nicht offengelegt bzw. die zugrunde liegenden Berechnungsgrundlagen nicht vollständig benannt hat.
  4. Eine deutlich überwiegende Verletzung der Ermittlungspflicht liegt jedenfalls nicht vor, wenn Investitionszinsen in der Größenordnung des erklärten Hinzurechnungsbetrages angesichts der Zugänge im Anlagevermögen denkmöglich erschienen.
 

Normenkette

AO §§ 88, 90, 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG § 4 Abs. 4 a, § 52 Abs. 11

 

Streitjahr(e)

1999, 2000, 2001

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 28.02.2008; Aktenzeichen IV B 53/07, IV B 54/07)

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt eine Spedition in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Bestandsvergleich. Komplementärin der Klägerin ist die N- Verwaltungs GmbH, Kommanditisten sind Herr N. sowie Frau N., die Beigeladenen zu 1. und 2.

Die Gewerbesteuererklärungen sowie die Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung der Klägerin für die Streitjahre 1999 bis 2001 gingen am 7. September 2000 (für 1999) bzw. 26. Juli 2001 (für 2000) bzw. 2. August 2002 (für 2001) beim Beklagten ein. In den hierzu eingereichten Gewinnermittlungen, in denen die Klägerin die als Betriebsausgaben abgezogenen Zinsaufwendungen in solche für kurz- bzw. langfristige Verbindlichkeiten aufgeteilt hatte, gab die Klägerin dem jeweiligen Bilanzgewinn bzw. -verlust nach § 4 Abs. 4a Einkommensteuergesetz -EStG- hinzuzurechnende Schuldzinsen wie folgt an:

in 1999: 6.000,

DM

in 2000: 6.000,

DM

in 2001: 0,

DM.

Die Steuererklärungen und Gewinnermittlungen sind von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellt worden.

Der Beklagte folgte den Angaben der Klägerin und erließ am 14. Februar 2001 (für 1999) bzw. 11. Januar 2002 (für 2000) bzw. 25. September 2002 (für 2001) entsprechende Feststellungsbescheide. Die abschließende Zeichnung durch den zuständigen Beamten erfolgte jeweils am selben Tag.

Die Gewerbesteuermessbescheide 1999 und 2001 fertigte der Beklagte unter dem 14. Februar 2001 (für 1999) bzw. 23. September 2002 (für 2001), sie tragen die Daten vom 14. Februar 2001 und 25. September 2002.

In der am 27. Februar 2004 beim Beklagten eingegangenen Bilanz zum 31.12.2002 gab die Klägerin die dem Bilanzverlust nach § 4 Abs. 4 a EStG hinzuzurechnenden Schuldzinsen mit 21.946 Euro an.

Mit Schreiben vom 3. März 2004 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Betriebsausgaben durch § 4 Abs. 4a EStG in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 neu geregelt worden sei. Diese Vorschrift gelte auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Gemäß § 4 Abs. 4 a Satz 6 EStG (i.d.F. 2001) seien ab dem Jahr 2000 Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen. Soweit betrieblicher Kreditmittelbedarf durch Entnahmen entstanden sei, sehe die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG eine pauschale Hinzurechnung i.H.v. 6 % der Überentnahme vor. Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (Investitionszinsen) blieben von der Beschränkung des Schuldzinsenabzuges nach § 4 Abs. 4a EStG unberührt.

Sodann bat der Beklagte die Klägerin, die entsprechenden Angaben auf der beigefügten Anlage zu machen bzw. die Berechnungen zu § 4 Abs. 4a EStG für die Veranlagungszeiträume ab 1999 vorzulegen, soweit dies bisher noch nicht geschehen sei. Dies gelte auch dann, wenn die Jahre 1999 ff. bereits veranlagt seien, da die Über- bzw. Unterentnahmewerte fortgeschrieben werden müssten.

Mit Schreiben vom 11. März 2004 überreichte die Klägerin eine Aufstellung zur Kapitalkontenentwicklung ab dem 1. Januar 1999 und führte aus, die Zinsen für die Inanspruchnahme des laufenden Bankkontos se...

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