Entscheidungsstichwort (Thema)
Asbestsanierung eines Hausdachs als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
- Die Aufwendungen für die Asbestsanierung des Hausdachs eines selbstbewohnten Einfamilienhauses sind als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
- Der Steuerpflichtige muss sich die durch die längere Nutzungsdauer eintretende Wertverbesserung im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen, soweit es nicht die durch die Asbestverseuchung bedingten Mehrkosten der Entsorgung betrifft.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2
Streitjahr(e)
1994
Tatbestand
Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für eine Dachsanierung als außergewöhnliche Belastung.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 1994 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Richter. In seiner Einkommensteuererklärung für 1994 machte er 20.779,61 DM außergewöhnliche Belastungen aus „Asbestsanierung des Hausdachs” geltend. Das Finanzamt lehnte im Einkommensteuerbescheid vom 08.1995 eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen ab, da eine konkrete Gefährdung durch Asbest nicht nachgewiesen worden sei und auf das amtsärztliche Attest nicht verzichtet werden könne.
Im Einspruchsverfahren legte der Kläger eine Stellungnahme des Oberkreisdirektors „A” vom 01.12.1995 zur Gefährdung seiner Familie durch asbesthaltige Eternitplatten vor. Dort heißt es: „Nach der am 18.10.1995 durchgeführten Besichtigung Ihres Hauses ist eine Gefährdung nicht auszuschließen. Die Dachkonstruktion ist rundherum windoffen. Das Dachgeschoß ist nur durch eine nicht luftdichte Klapptreppe vom gesamten Innenraum (Küche, Esszimmer, Wohnzimmer, Schlafzimmer) des Hauses getrennt. Voraussetzung für die konkrete Gefährdung ist eine starke Verwitterung der Eternitplatten. Dies konnte jedoch nicht überprüft werden, da das Dach bereits saniert wurde und die zugehörigen Fotografien beim Finanzamt vorliegen”. Aufgrund von nachgereichten Fotos bescheinigte der Oberkreisdirektor „A” am 17.01.1996, dass eine Auswertung der Fotos keine starke Verwitterung der Welleternitplatten erkennen lasse. Daher lasse sich keine konkrete Gefährdung ableiten. Es werde angeregt, Messungen durch den rheinisch-westfälischen TÜV in „X” vornehmen zu lassen, der auch nach bereits erfolgter Sanierung evtl. noch eine Risikoabschätzung vornehmen könne. Der Kläger lehnte dies ab, da die Messung durch den TÜV keine relevanten Erkenntnisse über das vor zwei Jahren bestehende Gesundheitsrisiko erbringen könne. Nach der 1994 durchgeführten Asbestsanierung des Daches seien in den Wohnräumen die Teppichböden und die Tapeten erneuert worden. Die vorgeschlagene Messung könne daher keine Asbestfasern mehr nachweisen. Der Grad der Verwitterung des Daches ergebe sich aus den von ihm vorgelegten Fotos, auf denen deutlich sichtbar sei, dass die schwarze Beschichtung nahezu vollständig abgewittert sei. Nach den neuen Arbeitsschutzvorschriften von 1995 dürften solche Asbestplatten nur noch in befeuchtetem Zustand entfernt werden. Außerdem sei der Grad der Verwitterung für die steuerliche Absetzbarkeit der Sanierungskosten nicht von Bedeutung. Wegen der fortschreitenden Verwitterung sei mit einer ständig zunehmenden Asbestfreisetzung zu rechnen gewesen und folglich mit einem ständig steigenden Gesundheitsrisiko. Es sei sinnvoll, möglichst frühzeitig vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung größerer Gesundheitsgefahren zu treffen und nicht abzuwarten, bis der Schaden bereits eingetreten sei.
In der Einspruchsentscheidung vom 06.1996 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Aufwendungen zur Vermeidung oder Behebung von gesundheitlichen Schäden durch Asbestfasern seien zwar grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Voraussetzung sei jedoch, dass ein Gutachten der zuständigen amtlichen Stelle über die Asbesthaltigkeit der auszutauschenden Gegenstände vorliege, aus dem sich ergebe, dass im konkreten Einzelfall eine Gesundheitsgefährdung durch austretende Asbestfasern bestehe. Das müsse durch die zuständige amtliche technische Stelle bestätigt werden. Außerdem müsse eine fachmännische Entsorgung der ausgetauschten Geräte nachgewiesen werde. Für die Dachsanierungskosten sei kein Nachweis über die konkrete Gesundheitsgefährdung durch die Eternitplatten auf dem Hausdach erbracht worden. Eine allgemeine Bescheinigung des Gesundheitsamtes über eine Asbestgefährdung sei nicht ausreichend.
In der dagegen erhobenen Klage macht der Kläger geltend: Er habe hinreichend bewiesen, dass ihm im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG zwangsläufig notwendige Aufwendungen entstanden seien, denen er sich aus tatsächlichen und sittlichen Gründen nicht habe entziehen können. Das 1976 gebaute Haus sei mit asbesthaltigen Eternitplatten gedeckt gewesen. Es sei unstreitig, dass durch Asbestfasern die Entstehung einer Asbestose sowie von Karzinomen der Lunge, des Kehlkopfs und des Brustfells drohe. Das Dach sei nicht reparaturbedürftig gewesen. Die Dachsanierung habe ausschließlich dazu gedient, die asbesthaltigen Wellplatten durch asbestfreie zu erset...