Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsung der Erstattung von Einfuhrzoll
Leitsatz (redaktionell)
Das Verzinsungsverbot des Art. 241 Satz 1 ZK greift nicht ein, wenn die zur Erstattung von Einfuhrzoll führende, hinsichtlich der Einreihung der Waren fehlerhafte Zollanmeldung erkennbar auf einer zuvor erteilten unzutreffenden verbindlichen Zolltarifauskunft beruht.
Normenkette
ZK Art. 20 Abs. 1, Art. 71 Abs. 2, Art. 236 Abs. 1, Art. 241 S. 1; AO §§ 238, 239 Abs. 1
Streitjahr(e)
2013
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Erstattung von Einfuhrzoll zu verzinsen ist.
Die Klägerin führte im Jahr 2013 Waren in die Europäische Union ein. Sie erwirkte zwei verbindliche Zolltarifauskünfte des Hauptzollamts Z, die diese Waren der Codenummer 8528 5940 90 0 zuwiesen. Gegen die verbindlichen Zolltarifauskünfte legte die Klägerin Einsprüche ein, weil sie die Einreihung für unzutreffend hielt.
Sie meldete dessen ungeachtet nach Erteilung der verbindlichen Zolltarifauskünfte entsprechende Waren unter Verwendung der Codenummer 8528 5940 90 0 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Die Anmeldungen wurden im Rahmen der Zollabfertigung nicht näher geprüft. Mit Einfuhrabgabenbescheiden vom 05.08., 07.08., 16.08., 19.08., 06.09., 21.10., 20.11, 21.11. und 27.11.2013 wurden Einfuhrzoll (14 %) und Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt.
Am 22.11.2013 erklärte das Hauptzollamt Z, dass sich die Einspruchsverfahren wegen einer Änderung des Zolltarifs aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 953/2013 des Rates vom 26.09.2013 zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 263/4 vom 05.10.2013) erledigt hätten.
Am 10.02.2014 beantragte die Klägerin die Erstattung von Einfuhrabgaben gem. Art. 236 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) mit der Begründung, dass die Waren unter der Codenummer 8528 5940 20 0 (0 % Einfuhrzoll) einzureihen seien. Das beklagte Hauptzollamt (HZA) folgte dem teilweise und erstattete mit Bescheid vom 07.11.2016 Einfuhrzoll. Wegen der Einzelheiten wird auf den Erstattungsbescheid Bezug genommen. Die Erstattung wurde innerhalb von drei Monaten vollzogen.
Die Klägerin beantragte daraufhin die Festsetzung von Erstattungszinsen. Das HZA lehnte dies ab. Den dagegen eingelegen Einspruch wies das HZA als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, ein Fall des Art. 241 Satz 2 ZK liege nicht vor, da die Erstattung innerhalb von drei Monaten vollzogen worden sei und keine einzelstaatliche Bestimmung zur Zinszahlung Platz greife. Vielmehr sei Art. 241 Satz 1 ZK anzuwenden. Die Klägerin sei nicht gezwungen gewesen, die Waren unter der unzutreffenden Codenummer anzumelden, da sie Einsprüche gegen die verbindlichen Zolltarifauskünfte eingelegt gehabt habe; sie könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Einfuhrabgaben seien schließlich nicht unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben worden, da Art. 71 Abs. 2 ZK ausdrücklich vorsehe, dass die in der Zollanmeldung enthaltenen Angaben der Abgabenfestsetzung zugrunde zu legen seien, wenn keine Prüfung stattgefunden habe.
Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor: Sie habe die Waren mit der Codenummer anmelden müssen, die sich aus den verbindlichen Zolltarifauskünften ergeben habe. Wäre sie davon abgewichen, hätte sie negative Konsequenzen befürchten müssen. So werde in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Nichtvorlage einer ungünstigen verbindlichen Zolltarifauskunft eine strafrechtlich relevante Falschanmeldung darstellen könne. Außerdem hätte eine Nacherhebung gedroht, da für sie ein Irrtum der Zollstelle, die von der verbindlichen Zolltarifauskunft abgewichen wäre, erkennbar gewesen wäre. Die Nutzung der falschen Codenummer beruhe damit im Ergebnis auf den fehlerhaften und rechtswidrigen verbindlichen Zolltarifauskünften des Hauptzollamts Z.
Der streitige Sachverhalt sei deshalb mit dem der Rechtssache Littlewoods Retail (EuGH-Urteil vom 19.07.2012, C-591/10, ECLI:EU:C:2012:478) zugrundeliegenden vergleichbar. In beiden Fällen sei die Grundlage der Verzinsung nicht die Nichtigkeit einer EU-Verordnung gewesen, sondern die falsche Anwendung des EU-Rechts durch Behörden der Mitgliedstaaten, hier des Hauptzollamts Z.
Einer Verzinsung stehe insofern auch nicht Art. 241 Satz 1 ZK entgegen. Dies Regelung betreffe, wie sich aus der Entscheidung in der Rechtssache Wortmann (EuGH-Urteil vom 18.01.2017, C-365/15, ECLI:EU:C:2017:19) ergebe, nur Fälle, in denen aufgrund von Fehlern, die der Schnelligkeit des in vielen Fällen angewandten Zollabfertigungssystems ohne Begutachtung der Ware vor ihrer Überlassung geschuldet seien, zu viel gezahlte Einfuhrabgaben erstattet würden. Eine Verzinsungspflicht ab Zahlung der Abgaben bestehe aber in allen Fällen, in denen die Ursache der Unionsrechtswidrigkeit nicht in der raschen Zollabfertigung liege, sondern den Zollbehörden hinreichend Zeit für die Prüfung der Sachverh...