Entscheidungsstichwort (Thema)
Möglichkeit der Änderung eines Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Einkommensteuer
Leitsatz (redaktionell)
- Durch § 173 Abs. 3a AO wird der Ablauf der Festsetzungsfrist bei Anfechtung eines Steuerbescheids hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt.
- Aufgrund dieser Ablaufhemmung kann der Vorbehalt der Nachprüfung nicht nach § 164 Abs. 4 AO vor der Entscheidung über einen zulässigen Einspruch entfallen.
- Für die Rechtmäßigkeit der Änderung eines Steuerbescheids nach § 164 Abs. 2 AO während des Einspruchsverfahrens ist es unerheblich, dass das Finanzamt nicht auf die Möglichkeit einer Verböserung hingewiesen hat.
- Der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr ist kein Grundlagenbescheid für den Verlustfeststellungsbescheid zur Einkommensteuer des gleichen Jahres.
Normenkette
AO §§ 164, 171 Abs. 3a, § 181 Abs. 1 S. 1, § 367 Abs. 2 S. 2; EGAO Art. 97 § 10 Abs. 9; EStG § 10d Abs. 4
Streitjahr(e)
1995
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte den Bescheid zum 31.12.1995 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) noch ändern durfte oder Feststellungsverjährung eingetreten ist.
Die Kläger wurden für das Streitjahr 1995 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte aus der Beteiligung an der AB GmbH & Co. KG in A-Stadt (im Folgenden: KG) gewerbliche Einkünfte, welche vom Finanzamt C-Stadt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung in Höhe von./. 1.686.912 DM gesondert und einheitlich festgestellt (Bescheid vom 01.08.1997) und unter dem 30.07.1997 dem Beklagten mitgeteilt wurden (Mitteilungseingang am 06.08.1997).
Am 23.12.1997 reichten die Kläger die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein, mit welcher sie u. a. den festgestellten Verlust des Klägers in Höhe von 1.686.912 DM und einen Verlust der Klägerin aus einem Kosmetikstudio in Höhe von 9.850 DM geltend machten. Der Beklagte berücksichtigte die Verluste nicht und setzte mit Bescheid vom 18.02.1998 die Einkommensteuer für das Streitjahr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0 DM fest. Zur Begründung wies er darauf hin, dass anhängige Verfahren bezüglich der Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin noch nicht entschieden worden seien.
Gegen den Einkommensteuerbescheid für 1995 legten die Kläger Einspruch ein. Im Februar 1998 übersandte das Finanzamt C-Stadt erneut die Mitteilung über den Erlass des Feststellungsbescheides vom 01.08.1997. Daraufhin berücksichtigte der Beklagte den für den Kläger gesondert und einheitlich festgestellten Verlust (vgl. „Einkommensteuerbescheid” vom 01.04.1998). Außerdem erließ der Beklagte unter dem 19.05.1998 einen Bescheid zum 31.12.1995 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer unter dem Vorhalt der Nachprüfung. Hierin stellte er gemäß § 10 d Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) – nach Verlustrückträgen nach 1993 und 1994 – einen verbleibenden Verlustabzug für den Kläger in Höhe von 870.521 DM und für die Klägerin in Höhe von 1 DM fest.
Gegen diesen Verlustfeststellungsbescheid legten die fachkundig vertretenen Kläger („Eheleute AB”) mit Schreiben vom 22.05.1998, eingegangen beim Beklagten am 25.05.1998, Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus: „U. a. wurden erklärte Verluste der Ehefrau…nicht berücksichtigt, so dass sich insgesamt ein höherer Verlustabzug ergibt.” Zugleich beantragten sie, das Einspruchsverfahren ruhen zu lassen, und zwar im Hinblick auf die beim Finanzgericht Düsseldorf anhängigen Klageverfahren 2 K 5382/96 und 2 K 48/97, welche die Frage der Anerkennung der Verluste der Klägerin aus dem Kosmetikstudio betrafen. Der Beklagte ordnete antragsgemäß das Ruhen des Verfahrens an.
Zwischenzeitlich war der Einspruch gegen die Einkommensteuer 1995 als unzulässig verworfen worden (Einspruchsentscheidung vom 05.06.1998). Der Verlustfeststellungsbescheid für das Streitjahr war aufgrund einer Kontrollmitteilung im Hinblick auf bislang noch nicht erfasste Provisionszahlungen in Höhe von 6.000 DM geändert worden. Der verbleibende Verlustabzug des Klägers wurde auf 864.521 DM festgestellt; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen (Änderungsbescheid vom 30.07.1998). Zuvor war unter dem 22.06.1998 ein Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.1995 den Klägern bekannt gegeben worden, der allerdings keine Änderung des festgestellten verbleibenden Verlustabzugs einschließlich der Besteuerungsgrundlagen enthielt.
Die Klage wegen Einkommensteuer 1994 (Az.: 2 K 4855/97 E) wurde im Termin am 18.06.1998 zurückgenommen. Das Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1987 bis 1989 und 1993 (Az.: 5382/96 E) wurde durch Urteil des Finanzgerichts vom 19.08.1998 beendet, mit dem (nach Klagerücknahme für das Jahr 1993) im Wesentlichen die von der Klägerin geltend gemachten Verluste aus dem Kosmetikstudio für die Jahre 1987 bis 1989 gewährt ...