Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine entsprechende Anwendung des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO bei Kassation eines Bescheides durch das Finanzamt
Leitsatz (redaktionell)
Die Hemmung der Festsetzungsverjährung eines Haftungsanspruchs endet auch dann mit der Rücknahme des angefochtenen Haftungsbescheids im Klageverfahren, wenn dieser Bescheid zugleich durch einen neuen, ergänzende Ermessenserwägungen enthaltenden Haftungsbescheid ersetzt wird. Die Regelung über die Verlängerung der Ablaufhemmung bei gerichtlicher Kassation kann wegen des entgegenstehenden eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht entsprechend auf den Fall der Aufhebung und Ersetzung durch die Finanzbehörde angewandt werden.
Normenkette
AO § 171 Abs. 3a Sätze 1, 3, § 191 Abs. 3; FGO §§ 68, 100 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
1992
Tatbestand
Der Kläger war gemeinsam mit S Geschäftsführer der A-GmbH, die ihren Geschäftsbetrieb mit Vertrag vom 28. Dezember 1991 mit Wirkung zum 01. Januar 1992 an die ebenfalls von dem Kläger als Geschäftsführer vertretene B-GmbH veräußerte. Der Kaufpreis sollte sich nach den Bilanzwerten der übernommenen Vermögensgegenstände zum 31. Dezember 1991 abzüglich der übernommenen Verbindlichkeiten richten. Die A-GmbH, deren Geschäftsbetrieb nach dem Vertragsschluss geruht hatte, wurde im Jahre 1997 im Handelsregister gelöscht.
Die nicht zustimmungsbedürftige Umsatzsteuerjahreserklärung der A-GmbH für 1992 mit einer ausgewiesenen Umsatzsteuerzahllast von 48.159,30 DM ging am 21. April 1995 bei dem Beklagten ein. Voranmeldungen waren für das Jahr 1992 nicht eingereicht, Zahlungen auf die Umsatzsteuer nicht geleistet worden.
Mit Bescheid vom 29. Mai 1998 nahm der Beklagte den Kläger wegen der rückständigen Umsatzsteuer der A-GmbH für 1992 nebst im Jahre 1995 festgesetzter Zinsen und zwischenzeitlich verwirkter Säumniszuschläge in Haftung. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage (3 K 372/00 H,U) und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Haftungsbescheides durch das Gericht. Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag mit der Begründung, der Beklagte habe sein Auswahlermessen nicht hinreichend dokumentiert, statt (3 V 373/00).
Im Schreiben vom 20. September 2000 erklärte der Beklagte gegenüber den Prozessvertretern des Klägers, er übersende in gleicher Verfügung nachfolgende Bescheide:
„1. Der Haftungsbescheid vom 29. Mai 1998 und 07. Dezember 1999 in der Gestalt, wie er nach Maßgabe seiner inhaltlichen Beschränkungen durch Teilrücknahmen vom 14. Dezember 1999 und vom 12. April 2000 noch Bestand hat, wird hiermit in vollem Umfang nach §§ 132, 130 Abs. 1 der Abgabenordnung zurückgenommen.
2. Zugleich ersetze ich entsprechend der nach BFH-Rechtsprechung als zulässig anerkannten Handhabung (vgl. BFH-Urteile vom 26.11.1986,BFH/NV 1988,82 und vom 6.8.1996, BStBl. II 1997,79) obigen Haftungsbescheid durch nachfolgenden, in seiner Begründung ergänzten Haftungsbescheid ...”
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch mit der Begründung ein, der neue Haftungsbescheid habe wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr ergehen dürfen. Durch Urteil vom 16. November 2000 stellte das FG die Erledigung des Klageverfahrens (3 K 372/00 H,U) gegen den ursprünglichen Haftungsbescheid fest.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Kläger gegen den Haftungsbescheid vom 20. September 2000 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor:
Die Geschäftsführer der A-GmbH seien aufgrund einer Auskunft des damaligen Steuerberaters davon ausgegangen, dass die Übertragung der Vermögenswerte von der A-GmbH auf die B-GmbH nicht umsatzsteuerpflichtig sei. Dieser Irrtum sei erst anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung aufgedeckt worden und habe zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung für 1992 im Jahre 1995 geführt. Zu diesem Zeitpunkt sei die A-GmbH jedoch bereits vermögenslos gewesen, so dass die Umsatzsteuer ohnehin nicht hätte bezahlt werden können und Säumniszuschläge nicht mehr hätten festgesetzt werden dürfen. Zudem sei die alleinige Inanspruchnahme des Klägers ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt die A-GmbH in Anspruch genommen und sich auch nicht ernsthaft damit auseinander gesetzt, dass Herr S neben dem Kläger gleichberechtigter Geschäftsführer gewesen sei. Der Haftungsbescheid vom 20. September 2000 habe wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr ergehen dürfen, denn durch die Aufhebung des ersten Bescheides sei die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 a AO beendet worden und gem. § 191 Abs. 3 AO Festsetzungsverjährung eingetreten.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 20.9.2000 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung trägt er vor:
Die Ausführungen zur Freistellung des zweiten Geschäftsführers von der Haftung rechtfertigten nicht die Annahme eines Ermessensfehlgebrauchs. Die Unkenntnis bezüglich der Umsatzsteuerpflicht infolge einer Falschberatung durch den Steuerberater sei ebenso wen...