Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldverschreibung mit renditeabhängiger Kursentwicklung
Leitsatz (redaktionell)
- Der Differenzbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Einlösungsbetrag von nicht frei handelbaren und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kündbaren Economic Value Added-Zertifikaten (EVA-Anteile) mit einer Laufzeit von fünf Jahren, mittels derer ohne gesellschaftsrechtliche Beteiligung leitenden Angestellten des Emittenten eine Teilhabe an der Renditeentwicklung ermöglicht wird, stellt keinen durch das Arbeitsverhältnis veranlassten Vorteil dar, sondern beruht auf einer eigenständigen Sonderrechtsbeziehung, die einen vorrangigen Zusammenhang der Erträge mit der Überlassung des Kapitals begründet.
- Die Kurswertsteigerungen/-minderungen der EVA-Anteile stellen angesichts der begrenzten Einflussmöglichkeiten der zeichnungsberechtigten Arbeitnehmer kein die Kapitalüberlassung überlagerndes spezifisches berufliches Risiko der Erwerbshandlung dar.
- Ist das Entgelt für die Kapitalüberlassung fremdüblich, fehlt es an einem dem Arbeitnehmer verbleibenden Vorteil in Gestalt einer verdeckten Lohnzahlung.
- Der Differenzbetrag zwischen Ausgabe- und Einlösungskurs führt nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn weder die Kapitalrückzahlung noch die Höhe eines (Mindest-)Entgelts im Vorhinein sicher feststeht.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, §§ 20, 23 Abs. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
2002
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Differenz zwischen Ausgabe- und Einlösungskurs einer vom Arbeitgeber des Klägers ausgegebenen Beteiligung zu steuerpflichtigen Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit führt.
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist Diplomkaufmann. Er war, wie auch schon in den Vorjahren, Geschäftsführer einer GmbH, die eine der Tochtergesellschaften einer Konzern-Muttergesellschaft ist. Der Kläger bezog für das Streitjahr 2002 ausweislich der Lohnsteuerkarte einen Arbeitslohn i. H. v. 172.931,66 Euro. Hierin war eine variable Vergütung i.H. von 39.613 Euro enthalten.
Neben seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielte der Kläger im Streitjahr u. a. Einkünfte aus Kapitalvermögen im Hinblick auf eine am 1.7.2002 zur Rückzahlung fällige Namensschuldverschreibung bei der GmbH, die er im Jahre 1995 gezeichnet hatte. Als Rückzahlungsbetrag erhielt der Kläger den Zeichnungsbetrag i. H. von 10.000 DM (= 5.112,92 Euro) nebst Zinserträgen für die Gesamtlaufzeit i. H. von 13.325,42 Euro.
In einem Begleitschreiben zur Einkommensteuererklärung führte der Kläger aus, dass er im Jahre 1997 für 60.000 DM Economic Value Added (EVA)-Zertifikate, ausgegeben von der GmbH, erworben habe. Zum 30.6.2002 seien ihm diese Zertifikate ausgezahlt worden. Die Differenz zwischen Einzahlungs- und Auszahlungsbetrag – so der Kläger – unterliege nicht der Besteuerung. Hinsichtlich der Bedeutung der EVA-Zertifikate, die seit dem Jahre 1997 jährlich von der GmbH bzw. von den Tochtergesellschaften aufgelegt wurden. In der Informationsbroschüre für die im Jahre 1997 ausgegebenen Zertifikate wird im Wesentlichen Folgendes aufgeführt:
Mit den EVA-Zertifikaten solle den leitenden Führungskräften ein Beteiligungsmodell angeboten werden, das auf die Leistungen der einzelnen Unternehmensbereiche abstelle und eine unternehmerische Beteiligung am eigenen Verantwortungsbereich ermögliche. Es solle die Möglichkeit eröffnet werden, durch die Wahrnehmung eigener unternehmerischer Verantwortung den Wert des Unternehmens zu steigern und hieran selbst finanziell zu partizipieren. Grundkonzept der EVA-Zertifikate sei das Ziel, Überrenditen zu erwirtschaften, die die Fremd- und Eigenkapitalkosten übersteigen würden. Diese Überrenditen würden einen messbaren Mehrwert schaffen. EVA-Zertifikate seien daher Namensschuldverschreibungen des ausgebenden Unternehmens auf Zahlung eines bei Fälligkeit zu ermittelnden Abrechnungsbetrages. Die Laufzeit dieser Zertifikate betrage 10 Jahre. Ein vorzeitiges Einlösungsrecht bestehe zum 1.7.2002 und zum 1.7. der Folgejahre.
Eine Übertragung der Zertifikate könne nur im Familienkreis sowie an andere Zeichnungsberechtigte desselben Emittenten erfolgen. EVA-Anteile seien keine gesellschaftsrechtlichen Anteile, sondern eine Rechengröße für die Wertermittlung. Der EVA-Wert sei ein betriebswirtschaftlicher Indikator für die Wertsteigerung eines Unternehmens. Die Wertsteigerung werde dabei pro Geschäftsjahr aus dem Ergebnis nach Steuern vor Zinsen abzüglich der (fiktiven) eigenen Kapitalkosten und der Fremdkapitalkosten ermittelt, indem man im Wesentlichen dieses Ergebnis durch das Kapital teile, um sodann die erzielte Rendite (Return on Capital) in Prozent zu erhalten. Liege der Return on Capital (in Prozent) höher als die Cost of Capital (Eigen- und Fremdkapitalkosten, in Prozent), sei ein wirtschaftlicher Mehrwert erzielt worden, mithin eine Überrendite. Dieser werde als Spread bezeichnet. Mu...