Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Gewährung von Kindergeld auch bei Einkünften des Kindes über dem Grenzbetrag gem. § 32 Abs. 4 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Grenzbetragsberechnung für die Gewährung von Kindergeld i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG sind die Einkünfte des Kindes um Rechtsanwalts- und Gerichtskosten für ein „NC-Verfahren” zur Erlangung eines Studienplatzes zu kürzen, da es sich insoweit um vor der Aufnahme des Studiums entstandene Aufwendungen für ausbildungsbedingten Mehrbedarf i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG handelt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2-3
Streitjahr(e)
2006
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld für das Jahr 2006.
Die Klägerin ist die Mutter eines am 21. Juli 1985 geborenen Sohnes.
Ausweislich einer Schulbescheinigung vom 26. Mai 2003 sollte dieser voraussichtlich im Juli 2006 die Schulausbildung beenden.
Aufgrund einer Mitteilung des Finanzamtes vom 2. Februar 2007 erfuhr die Beklagte, dass der Sohn in 2005 Einkünfte über dem Grenzbetrag i.S.d. § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz -EStG erzielt hatte.
Auf eine Nachfrage der Beklagten nach dem Ende der Schulausbildung und den Einkünften des Kindes ab Januar 2005 teilte die Klägerin mit, dass ihr Sohn in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 ein Praktikum abgeleistet habe und im Übrigen auf einen Studienplatz warte.
Als Beleg fügte sie den Ablehnungsbescheid der ZVS vom 14. August 2006 betreffend einen Medizinstudienplatz für das Wintersemester 2006/ 2007 bei.
In der Erklärung zu den Werbungskosten eines über 18 Jahre alten Kindes machte der Sohn der Klägerin für das Jahr 2006 Fahrtkosten in Höhe von 120,60 EUR, Aufwendungen für Lehrbücher in Höhe von 154,85 EUR, Kosten für eine Berufsunfähigkeitsversicherung in Höhe von 553,32 EUR und Kosten wegen NC-Verfahren vor diversen Verwaltungsgerichten wegen eines Studienplatzes sowie entsprechender Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.384,- EUR, insgesamt Werbungskosten in Höhe von 3.212,77 EUR geltend.
Überdies erklärte der Sohn für 2006 Einnahmen als Mitunternehmer in Höhe von 9000,- EUR pro Jahr.
Der ebenfalls vorgelegten Praktikumsbescheinigung zufolge hatte der Sohn keine Praktikantenvergütung erhalten.
Mit Bescheid vom 6. März 2007 hob die Beklagte sodann die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2005 auf und forderte das für den Zeitraum Januar 2005 bis November 2006 zuviel gezahlte Kindergeld in Höhe von 3.542,- EUR zurück.
Zur Begründung führte sie aus, der Sohn sei zwar im Kalenderjahr 2005 und 2006 von Januar bis Dezember für den Kindergeldanspruch zu berücksichtigen. Das Einkommen in dieser Zeit übersteige jedoch nach den vorliegenden Unterlagen den anteiligen Grenzbetrag von 7.680,- EUR. Pauschalbeträge für Werbungskosten könnten nicht berücksichtigt werden, weil es sich nicht um Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit handele.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. März 2007 Einspruch ein bezüglich der Aufhebung für das Jahr 2006.
Mit Einspruchsentscheidung vom 2. April 2007 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
In der Begründung führte sie u.a. aus, für das Jahr 2006 seien lediglich Werbungskosten in Höhe des Arbeitnehmerpauschbetrages abzusetzen. Höhere Werbungskosten seien nicht nachgewiesen worden. Die Einkünfte des Sohnes berechnete die Beklagte mit insgesamt 11.899,- EUR.
Mit der am 20. April 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Zur Begründung macht sie geltend, ihr Sohn beabsichtige, Medizin zu studieren und danach den Beruf des Arztes auszuüben. Aufgrund der bei der Reifeprüfung erzielten Noten sei der Sohn zunächst nicht von den Universitäten zugelassen worden. Gegen diese Nichtzulassung gehe er im Klagewege vor. Entsprechende Klagen seien bei verschiedenen Gerichten eingereicht. Durch diese Klageverfahren entstünden sowohl Gerichts- als auch Anwaltskosten.
Wenn ein Steuerpflichtiger Aufwendungen tätige, bevor er Einnahmen aus einer speziellen Tätigkeit beziehe, könnten diese Kosten als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn sie in genügend nachweisbarem Zusammenhang mit der späteren Berufstätigkeit stünden.
Würde es sich bei den Rechtsstreitkosten zur Erlangung eines Studienplatzes für die Ausbildung zum Arztberuf nicht um vorweggenommene Werbungskosten und damit um negative Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit handeln, müssten die in Kauf genommenen Rechtsstreitkosten zumindest als besondere Ausbildungskosten anerkannt werden, die über die normale Lebensführung hinausgehende ausbildungsbedingte Mehraufwendungen darstellten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 6. März 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. April 2007 für 2006 aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Ergänzend macht sie geltend, der Sohn der Klägerin habe Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Werbungskosten seien aber von Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit in A...