Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung des Gewinns aus einer Veräußerung sog. einbringungsgeborener Anteile
Leitsatz (redaktionell)
- Die Feststellungslast dafür, dass eine Tatsache nachträglich im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt geworden ist, trägt das Finanzamt.
- Eine Änderungsbefugnis der Finanzbehörde wegen derartiger nachträglich bekannt gewordener Tatsachen besteht nach Treu und Glauben nicht, wenn diese Tatsachen ihr bei ordnungsgemäßer Erfüllung ihrer Amtsermittlungpflicht nicht verborgen geblieben wären.
- Die ab dem Jahr 1996 durch § 54 EStDV vorgeschriebene Mitteilung des beurkundenden Notars über die Veräußerung von GmbH-Anteilen an das für die Besteuerung der Gesellschaft zuständige Finanzamt löst auch für das Wohnsitz-Finanzamt des Veräußerers eingehende Ermittlungspflichten aus, die sich u.a. auf die mögliche Qualifikation als einbringungsgeborene Anteile erstrecken.
- Die Formulierung in dem im Jahr 1935 abgeschlossenen – nicht mehr vollständig vorliegenden – Gesellschaftsvertrag einer GmbH, dass die Einbringung von Betriebsvermögen „zum Bilanzwert vom 31.12.1934” erfolgt, schließt nicht die Möglichkeit aus, dass dabei sämtliche stillen Reserven aufgedeckt wurden.
- Die Feststellungslast dafür, dass Anteile einbringungsgeboren sind, liegt bei der Finanzbehörde. Sie muss daher den Nachteil der Unvollständigkeit einer in den Handelsregisterakten aufzubewahrenden notariellen Urkunde (Gründungsvertrag einer GmbH) tragen.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 1; UmwStG § 21 Abs. 2; AO §§ 20, 88, 173 Abs. 1 Nr. 1; GmbHG § 15 Abs. 3; EStDV § 54 Abs. 1
Streitjahr(e)
1996
Tatbestand
Zwischen Herrn „B” und dem beklagten Finanzamt war beim Finanzgericht (FG) Düsseldorf zu 8 K 3950/00 E die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung sog. einbringungsgeborener Anteile streitig. Über die Klage wurde mit auf die mündliche Verhandlung vom 7.11.2002 ergangenem Urteil entschieden – die Klage hatte größtenteils keinen Erfolg, die gegen das Urteil gerichtete Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision wie des Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 22.5.2003 (I B 211/02) zurück.
Im Urteil des 8. Senats heißt es im Wesentlichen:
... Die Brüder „C” und „D"- Großonkel und Großvater des Klägers – waren die alleinigen und persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter der Fa. „E” Kom.Ges.. Durch Gesellschaftsvertrag vom 28.03.1935 gründeten sie zur Fortführung des Handelsgeschäftes der Kom.Ges. die Fa. „F” GmbH, ebenfalls mit Sitz in „G”. Das Stammkapital betrug 200.000 Reichsmark (RM). In Anrechnung auf das Stammkapital wurde das bisherige Handelsgeschäft mit Aktiven und Passiven in die Gesellschaft eingebracht, und zwar – so der Gesellschaftsvertrag – „zum Bilanzwert vom 31.12.1934” mit 388.299,68 RM.
Am 22.06.1942 beschloss die Gesellschafterversammlung, das Stammkapital um 1 Mio. RM auf 1.200.000 RM zu erhöhen.
Zum 21.06.1948 erstellte die GmbH eine DM-Eröffnungsbilanz. Ausweislich des Berichtes der Geschäftsführung ergab die Gegenüberstellung der Aktiven und Passiven ein Vermögen von 3.505.063,02 DM gegenüber einem Vermögen lt. RM-Schlussbilanz von 2.973.494,07 RM, sodass sich das Reinvermögen um 531.568,95 M erhöht habe.
In der Folgezeit fanden verschiedene erb- und eherechtliche Auseinandersetzungen, familiäre Schenkungen und entgeltliche Übertragungen statt; außerdem wurde im Jahr 1974 das Kapital aus Gesellschaftsmitteln auf 30 Mio. DM und im Jahr 1990 auf 50 Mio. DM erhöht.
Der Kläger war seit 11.12.1995 zu einem nominellen Anteil von…DM (... %) an der GmbH beteiligt.
Mit notariellem Vertrag vom 31.01.1996 wurden sämtliche GmbH-Anteile im Nennbetrag von 50 Mio. DM zum Preis von 100 Mio. DM veräußert. Auf den Kläger entfielen von dem Veräußerungserlös ..., d.s.... DM.
In der Einkommensteuererklärung 1996 erwähnte der Kläger die Veräußerung der Anteile nicht; entsprechend setzte der Beklagte in dem Einkommensteuerbescheid 1996 vom 02.02.1998 keinen Veräußerungsgewinn an.
Nachdem die Konzern-Betriebsprüfung anlässlich einer Prüfung bei der GmbH dem Beklagten die Anteilsveräußerung mitgeteilt hatte, erließ dieser am 17.12.1999 einen auf § 173 der Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 1996, in dem er einen Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Anteile i.H.v.…DM als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasste.
Es handele sich um eine Veräußerung sog. einbringungsgeborener Anteile entsprechend § 21 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG), die zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn gem. §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geführt habe. Der Beklagte berechnete den Veräußerungsgewinn wie folgt: ...
Der Einspruch hatte nur teilweise Erfolg.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger macht geltend, der Änderungsbescheid sei verfahrensrechtlich und materiellrechtlich rechtswidrig. Er begründet die Klage im Wesentlichen wie folgt:
Die angefochtene Steuerfestsetzung verstoße bereits gegen das Verfahrensrecht. Die Voraussetzungen einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien...