vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Stromsteuerbefreiung beim Betrieb einer Müllverbrennungsanlage: Aufteilung der Stromentnahmen anhand der anteiligen Strom- und Fernwärmeerzeugung – Stromerzeugung als Nebenzweck der Müllverbrennung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VII R 12/24)
Leitsatz (redaktionell)
- Der für den Betrieb einer KWK-Müllverbrennungsanlage entnommene Strom ist zur Ermittlung des nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerbefreiten Anteils anhand des quotalen Verhältnisses der erzeugten Strommenge zu der der an das Fernwärmenetz übertragenen Energie aufzuteilen.
- Auf die Frage, ob die Stromerzeugung als bloßer Nebenzweck zum Hauptzweck der Müllverbrennung anzusehen ist, kommt es für die Beurteilung der Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG nicht an.
Normenkette
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 2; StromStV § 12 Abs. 1 Nr. 1; RL 2003/96/EG Art. 14 Abs. 1 Buchst. a S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Umfang der Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Stromsteuergesetzes (StromStG).
Die Klägerin betreibt…eine Müllverbrennungsanlage.…Den erzeugten Strom leistet sie überwiegend an die R. GmbH. Einen Anteil von etwa 1/3 des erzeugten Stroms entnimmt sie zum Betrieb der Müllverbrennungsanlage. Zusätzlich für den Betrieb der Anlage erforderliche Strommengen bezog die Klägerin von der Y. AG. Ein Notstromgenerator, der ebenfalls mit selbst erzeugtem oder extern bezogenem Strom betrieben wird, sichert den Betrieb der Müllverbrennungsanlage. Die gewonnene Fernwärme gibt die Klägerin an die I. GmbH ab.
Der Beklagte erteilte der Klägerin mit Verfügung vom 18. Dezember 2000 die Erlaubnis, Strom als Versorgerin leisten zu dürfen sowie mit Verfügung vom 8. November 2002 die Erlaubnis, nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerbefreiten Strom zur Stromerzeugung entnehmen zu dürfen.
…Die nicht mehr verwertbaren Stoffe - im Streitjahr 2018 machten diese einen Anteil von 71,08 % der insgesamt sortierten Abfälle aus - werden in der Müllverbrennungsanlage verbrannt. Über eine Sperrmüllschere wird Sperrmüll ab einer bestimmten Größe vor der Verbrennung zerkleinert, um einen kontinuierlichen Verbrennungsprozess zu gewährleisten. Der Abfall wird über einen Müllkran aufgegriffen, durchmischt und entweder unmittelbar dem Verbrennungsprozess oder zunächst einem Müllbunker zur Zwischenlagerung zugeführt. Die Durchmischung verhindert im Verbrennungsprozess die Bildung von Wärmenestern. Die Zwischenlagerung dient der gleichmäßigen Zuführung von Abfällen zum Verbrennungsprozess. Beide Vorgänge sorgen für einen einheitlichen Heizwert zur effizienten Verbrennung und einer konstanten Dampferzeugung. Bei der Zwischenlagerung ist die Durchmischung zudem zur Einhaltung immissionsschutzrechtlicher Auflagen erforderlich, da sich andernfalls durch die Kompostwirkung Methangase bilden können. Zur Steuerung und Überwachung der technischen Einrichtungen werden die Schalt- und Arbeitsräume der jeweiligen Neben- und Hilfsanlagen mit Frischluft versorgt und beleuchtet.
Des Weiteren nimmt die Klägerin mechanisch entwässerten Klärschlamm mit einem Trockenstoffgehalt von ca. 25 % entgegen. In diesem Zustand ist der Klärschlamm bereits brennbar. Um zur effizienten Verbrennung eine weitere Trocknung im Verbrennungsprozess zu vermeiden, trocknet die Klägerin den Klärschlamm zuvor in einer Klärschlammvortrocknungsanlage auf einen Trockenstoffanteil von ca. 97 %. Im Jahr 2018 nahm die Klägerin 31.057,29 t Klärschlamm entgegen. Vom Trockenstoffgehalt des Klärschlamms (= 7.764,32 t, entspricht 25 %) führte sie nach der Trocknung 6.061,09 t (entspricht 78,06 %) als Granulat der Verbrennungsanlage zu. Der restliche Anteil wurde extern entsorgt.
Die Verbrennungsanlage besteht aus zwei baugleichen Verbrennungslinien mit jeweils einer rauchgasbetriebenen Kesselanlage und einer Feuerungswärmeleistung von jeweils 49,5 Megawatt. Die durch die Verbrennung entstehenden Rauchgase werden in einer genehmigungsrechtlich vorgeschriebenen Rauchgasreinigungsanlage gereinigt und an die Außenluft abgeführt. Der in den Kesseln erzeugte Dampf wird mit einer Temperatur von etwa 400 Grad Celsius und einem Druck von etwa 40 bar größtenteils über eine Dampfschiene einer Entnahme-Kondensations-Turbine zugeführt. Bei der Durchströmung der Turbine treibt der Wasserdampf eine Turbinenwelle mit einem angeschlossenen Stromgenerator mit einer elektrischen Nennleistung von 22 Megawatt zur Stromerzeugung an. Durch diese Beaufschlagung wird der Dampf in der Turbine kontinuierlich entspannt und abgekühlt. Ein Teil des Dampfes wird in der Turbine an zwei Stellen zur Fernwärmegewinnung entnommen. Die erste Dampfentnahme erfolgt, nachdem der Dampf auf etwa 3,5 bar entspannt und 140 Grad Celsius abgekühlt wurde. Der entnommene Dampf wird einem Wärmetauscher zugeführt, in dem die Energie des Dampfes an das Fernwärmenetz übertragen wird. Das hierbei entstehende Kondensat wird den Kesseln als Speisewasser zur Dampfprodukt...